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Jetzt anmelden27.09.2024
Fünf Jahre Digitalisierungsforschung in der Landwirtschaft: Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Agrar stellten bei ihrer Abschlussveranstaltung am 18.09.2024 die Ergebnisse ihrer Forschung vor und sprachen Empfehlungen für die (digitale) Zukunft der Landwirtschaft aus.
Um 13:00 Uhr begann die Veranstaltung im Agro-Technicum der Hochschule Osnabrück – ein Laborbereich zur Weiterentwicklung vorhandener und zukünftiger Landmaschinen. Prof. Dr. Kai-Uwe Kühnberger (Universität Osnabrück, Vizepräsident für Forschung, gesellschaftlichen Dialog und Transfer) begrüßte die Gäste aus Politik, Wissenschaft, Landwirtschaft und Verbänden. Prof. Kühnberger hob die Bedeutung des Agrarsektors für Niedersachsen und Deutschland hervor und betonte, dass Digitalisierung und Automatisierung der Weg zu effizienteren Prozessen sei. Das Zukunftslabor Agrar sei das richtige Instrument zur richtigen Zeit gewesen, um innovative Konzepte für die Digitalisierung landwirtschaftlicher Prozesse zu erforschen. Durch die enge Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft sei ein wissensbasierter Transfer geschaffen worden, der zu einem exzellenten Innovationssystem beigetragen habe.
Nach der Eröffnung durch Herrn Prof. Kühnberger leitete Moderatorin Annika Ahlers (Partnerin Ibérico Westfalia, StadtLandDialog) zur Ergebnispräsentation des Zukunftslabors über. Wissenschaftler*innen aus den drei Teilprojekten sowie Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft stellten die Ergebnisse des Zukunftslabors dar und verknüpften sie mit der Praxis.
Einblick in die Forschungsergebnisse des Zukunftslabors Agrar
Dr. Olaf Katenkamp (Universität Vechta, Fakultät Wirtschaft und Ethik) und Olaf Gansch (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) widmeten sich dem ersten Teilprojekt: die Analyse der Datenaufzeichnungen und Datenflüsse in der Landwirtschaft. Die Wissenschaftler*innen untersuchten in den vergangenen fünf Jahren, wie Landwirt*innen ihre Daten erfassen und an welche Stakeholder sie diese senden (müssen). Dabei stellten sie fest, dass die Datenerfassung in den meisten Betrieben manuell erfolgt. Untersuchungsgegenstand waren Betriebe aus der Hühner- und Schweinemast sowie der Milchviehhaltung. Die Wissenschaftler*innen definierten 30 Use Cases, in denen digitale Tools (Assistenzsysteme, Sensoren, Künstliche Intelligenz, Kopplung von Daten) genutzt werden könnten und Prozesse (Automatisierung, Fütterung, Reinigung, Gesundheitsmonitoring, Nachhaltigkeitprozesse, etc.) mithilfe der Digitalisierung optimiert werden könnten.
Herr Gansch stellte das Projekt „DigiFu“ vor, bei dem die Digitalisierung im Futterbau fokussiert wird. Ziel des Projektes ist es, die Daten im landwirtschaftlichen Betrieb vollautomatisch zu erfassen. Dies umfasst u. a. die Bewirtschaftung der Ackerfläche, den Futtermittelzukauf, die Melksysteme und geht bis zur automatischen Datenerfassung der produzierten Milch bzw. des produzierten Fleisches.
Andreas Linz (Hochschule Osnabrück, Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik), Benjamin Kisliuk (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Forschungsbereich Planbasierte Rotobersteuerung) und Frederik Langsenkamp (Hof Langsenkamp) präsentierten die Ergebnisse des zweiten Teilprojektes: praxisorientierte Autonomisierung landwirtschaftlicher Verfahren. Herr Linz stellte die autonome Roboterplattform „BoniRob“ vor, die z. B. Bodenparameter wie Verdichtung oder Feuchte messen kann. Der „BoniRob“ ist mit GPS und zahlreichen Sensoren ausgestattet und kann sich autonom über ein Feld bewegen. Um verschiedene Anwendungsfälle simulieren zu können, erstellten die Wissenschaftler*innen einen digitalen Zwilling des „BoniRobs“ und simulierten das Feld, auf dem sie den Roboter fahren lassen. Die Simulationen ermöglichen es, unterschiedliche Experimente virtuell auszuführen und erst nach erfolgreichem Ergebnis in die Praxis zu überführen (z. B. Sensoren austauschen und testen).
Herr Kisliuk ging auf die Datengrundlage für die Simulation ein. Um die Begebenheiten vor Ort abbilden zu können, nutzten die Wissenschaftler*innen kommerzielle Daten, Daten von Behörden sowie eigene Daten von Drohnenaufnahmen. Auf dieser Grundlage erstellen sie digitale Abbilder der Felder und Gebäude des Hofes Langsenkamp, mit dem das Zukunftslabor zusammenarbeitete. Dies diente dazu, die Navigation von Robotern auf dem Hof und den Feldern zu untersuchen.
Herr Langsenkamp ist langjähriger Praxispartner des Zukunftslabors Agrar und stellt den Wissenschaftler*innen seinen Hof und seine Felder für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung. Er sagte, dass er in autonomen Robotern ein großes Potenzial für die Zukunft sehe. Insbesondere bei monotonen Arbeiten oder in Hinblick auf den Fachkräftemängel könnten sie hilfreiche Instrumente werden. Für die Entwicklung solcher Technologien stelle er seinen Hof gerne zur Verfügung, auch weil er dadurch selbst viel lerne.
Im dritten Teilprojekt ging es um die Nachhaltigkeit der Digitalisierung in der niedersächsischen Landwirtschaft. Prof. Dr. Silke Hüttel (Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung) und Prof. Dr. Stefanie Bröring (Ruhr Universität Bonn, Lehrstuhl Entrepreneurship und innovative Geschäftsmodelle) stellten ihre Forschung vor. Frau Prof. Hüttel untersuchte die Akzeptanz autonomer Roboter bei Landwirt*innen am Beispiel des Zuckerrübenanbaus. Aus einer Befragung von rund 350 Landwirt*innen ging hervor, dass sich Landwirt*innen insbesondere dann vorstellen können, autonome Roboter einzusetzen, wenn diese effektiv sind. Das bedeutet, dass die Roboter zuverlässig funktionieren und nicht zu viel zusätzliche Arbeit für den Menschen verursachen. Zudem wollen Landwirt*innen die Kontrolle über ihre Arbeitsprozesse behalten. Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass sie dem Einsatz von Robotik eher zurückhaltend gegenüberstehen, wenn sie mit ihrer aktuellen Verfahrensweise gut zurechtkommen. Allerdings können sich Zuspruch und positive Signale aus der Bevölkerung hinsichtlich der Nutzung von Robotik positiv auf die Einstellung der Landwirt*innen auswirken.
Frau Prof. Bröring untersuchte aus Sicht der Adaptionsforschung die Gründe für oder gegen die Nutzung innovativer Technologien. Im Rahmen einer Studie analysierte sie, welche Faktoren die Nutzung von Smart Farming Technologien begünstigen. Dazu zählten vor allem die Produktivitätssteigerung, die Erleichterung bei Dokumentationspflichten, die Interoperabilität der Systeme, die Datensicherheit, die Finanzierung, das Vertrauen in die Technologie und die Nutzerfreundlichkeit.
Weitere Ergebnisse des Zukunftslabors Agrar stehen in dieser Pressemitteilung.
Das Zukunftslabor Agrar empfiehlt: Mehr Mut zur Digitalisierung in der Landwirtschaft
Im Anschluss an die Ergebnispräsentationen folgte eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Das Zukunftslabor Agrar empfiehlt: Mehr Mut zur Digitalisierung in der Landwirtschaft“. Den Impuls zur Podiumsdiskussion gab der Sprecher des Zukunftslabors Agrar, Prof. Dr. Joachim Hertzberg (Universität Osnabrück, Institut für Informatik). Er stellte das Policy Paper vor, das als kurzes Ergebnispapier aus dem Zukunftslabor hervorging. Darin fassen die Wissenschaftler*innen die Herausforderungen für eine flächendeckende Digitalisierung in der Landwirtschaft zusammen, die sie im Rahmen ihrer Forschung ermittelten. Zudem spiegeln sie die Bedürfnisse der Landwirtschaftsbetriebe wieder und sprechen Empfehlungen an die Politik aus.
Die Ausschreibung des Zukunftslabors Agrar beinhaltete neben der Forschung an sich auch den Auftrag, Transfer in die Praxis zu leisten und in den Dialog mit der Gesellschaft zu gehen. Der Praxistransfer ist in anwendungsorientierten Forschungsprojekten üblicherweise gefordert, doch der Dialog mit der Gesellschaft war ungewöhnlich, neu und spannend! Dieser Auftrag wurde zum Treiber eines Teils unserer Arbeit. Wir bezogen verschiedene Stakeholder in unsere Forschung ein, durch Interviews, Workshops und Umfragen. Die nicht ganz überraschende Erkenntnis: Bei allen bereits vorliegenden Erfolgen klemmt es weiterhin mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft! Die Digitalisierung dieser Branche ist extrem komplex und von vielen verschiedenen Playern abhängig, die zusammenspielen müssen, damit die digitale Transformation der Landwirtschaft gelingen kann.
Weitere Details stehen im Policy Paper:
Den Impuls von Herrn Prof. Hertzberg griff Moderatorin Annika Ahlers auf, um die Podiumsdiskussion einzuleiten. An der Diskussion beteiligten sich Dr. Marcus Beiner (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft & Kultur), Jörn Ehlers (Hof Ehlers, Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband e.V.), Dr. Johannes Sonnen (DKE-Data GmbH & Co. KG) und Prof. Dr. Jens Karl Wegener (Julius Kühn-Institut, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz).
Herr Prof. Wegener bekräftigte, dass alle Akteure der Landwirtschaft mitgenommen und aktiv werden müssten, um die Digitalisierung voranzubringen. Dafür seien Gespräche zwischen den Akteuren wichtig, um Zielkonflikte zu thematisieren. Ebenso sei der Einbezug der Gesellschaft elementar. Zudem sprach er sich dafür aus, mehr Mut bei der Entwicklung und Nutzung innovativer Technologien aufzubringen.
Herr Ehlers sagte, die Förderprogramme seitens der Politik zur Technikförderung in der Landwirtschaft, z. B. smarte Pflanzenschutzspritzen, seien hilfreich. Jedoch müsse auch bei den Anwender*innen das entsprechende Wissen vorhanden sein. Herr Dr. Beiner ergänzte, dass Innovationen im Sinne der Anwender*innen entwickelt werden und vor der Markteinführung in Testumgebungen geprüft werden müssten. Herr Dr. Sonnen warf ein, dass die Erwartungen an Software und Technik sehr hoch seien. Oftmals werde eine kontinuierliche Weiterentwicklung und regelmäßige Updates gefordert, jedoch müssten die Nutzer*innen dann auch wissen, wofür die neuen Features genutzt werden können. Dieses Wissen fehle zum Teil. Es müssten Anreize geschaffen werden, Technologien zu verstehen und effizient zu nutzen. Dem stimmte Herr Prof. Wegener zu. Die Entwicklung innovativer Technologien zu fördern, bringe „Fancy Features“ auf den Markt, die oftmals aber nicht genutzt würden. Außerdem fehle zum Teil die digitale Infrastruktur, um die Mehrwerte der Technologien ausschöpfen zu können. Forschungs- und Entwicklungsprojekte müssten langfristig angelegt werden, um Innovationen in einer Pilotphase gemeinsam mit Landwirt*innen zu testen. Wenn diese erfolgreich verliefen, könnten die Landwirt*innen als Multiplikator*innen und Fürsprecher*innen dienen.
Herr Dr. Beiner lobte das Zukunftslabor als gutes Beispiel für Forschungsprojekte mit Praxisbezug. Zudem sagte er, die Landwirtschaft müsse aufpassen, nicht nur Anwenderin von großen Digitalisierungs- und Technologiekonzernen zu werden. Es sei wichtig, Prozesse zu standardisieren und bei der Digitalisierung mitzuwirken. Herr Ehlers stimmte ein und riet Landwirt*innen zu mehr Mut bei der Anwendung digitaler Technologien. Allerdings müssten Landwirt*innen auch den Nutzen abwägen und prüfen, wie praktikabel die Tools seien. Herr Dr. Sonnen sprach sich für staatlich finanzierte, unabhängige Berater*innen aus, die Landwirt*innen neutral hinsichtlich Digitalisierung und Innovationen beraten und bei der Einführung sowie Nutzung digitaler Technologien unterstützten.
Herr Ehlers brachte das Thema Datenschutz in die Diskussion ein. Viele Landwirt*innen befürchteten Nachteile dadurch, dass sie ihre Daten preisgäben. Zudem sei es schwierig, dass Behörden innerhalb Deutschlands unterschiedliche Anforderungen und Datenerfassungssysteme hätten. Die Verwaltung müsse ebenfalls digitalisiert und über die Grenzen der Bundesländer hinweg kompatibel werden. Herr Prof. Wegener warf ein, dass ein gewisser regulatorischer Druck auch dabei helfen könne, Digitalisierung voranzutreiben. Als Beispiel nannte er eine Sonderregelung für die Anwendung von Pflanzenschutzmitteln im Alten Land, wo zahlreiche Gräben und Gewässer dicht an den Obstanbauflächen liegen. Die Sonderregulierung habe dazu geführt, dass Landwirt*innen bestimmte, sehr effiziente Pflanzenschutzspritztechnologien anwendeten, um weiterhin Pflanzenschutzmittel einsetzen zu dürfen. Herr Ehlers stimmte dem zu, betonte aber auch, dass ein Umdenken bei der Gesellschaft erforderlich sei. Zum Teil gebe es feste Vorstellungen, wie Landwirtschaft sein solle und digitale Technologien seien dort noch nicht weit verbreitet.
Zum Ende der Diskussion bat Annika Ahlers die Teilnehmer um ein Abschluss-Statement bzw. eine Zukunftsvision. Herr Dr. Sonnen sprach sich dafür aus, die Ausbildung in der Landwirtschaft hinsichtlich des Einsatzes digitaler Technologien zu verbessern, Landwirt*innen neutrale Berater*innen an die Seite zu stellen, Mehrwerte der Innovationen zu vermitteln und Ängste abzubauen. Herr Prof. Wegener sieht ganz klar das Spot Farming als Vision des zukünftigen Pflanzenanbaus. Zudem wünscht er sich häufiger Gespräche mit den beteiligten Akteuren der Agrarbranche und einheitliche Systeme über die Grenzen der Bundesländer hinweg. Herr. Dr. Beiner sieht in seiner Vision innovative Landwirt*innen, die als gutes Beispiel voran digitale Technologien testeten und für andere als Vorbilder dienten. Seitens der Politik sieht er die Aufgabe, die entsprechende Infrastruktur für eine digitalisierte Landwirtschaft zu schaffen und zielführende Regularien festzulegen. Herr Ehlers empfiehlt, sich an guten Beispielen, z. B. aus anderen Ländern, zu orientieren und nicht nur in Problemen zu denken, sondern in die Umsetzung zu kommen.
Abschlussmesse: Demonstratoren und Interaktion
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Ausstellung mit Demonstratoren und interaktiven Elementen. Andreas Linz (Hochschule Osnabrück) und Benjamin Kisliuk (DFKI) präsentierten die Roboterplattformen an und mit denen sie forschen: den „BoniRob“ mit dem digitalen Zwilling und „Valdemar“. Prof. Dr. Jens Karl Wegener und Eva-Marie Dillschneider (beide vom Julius Kühn-Institut) veranschaulichten das Konzept des Spot Farmings mit einem Modell und einer Animation. Dr. Kathrin Toppel und Ida Krüwel (beide von der Hochschule Osnabrück) zeigten mithilfe einer interaktiven Roadmap, wie Sensoren zur Verbesserung des Tierwohls im Nutzgeflügelstall beitragen können.
Prof. Dr. Silke Hüttel (Georg-August-Universität Göttingen) und Sophia Kollhoff (Universität Vechta) zeigten anhand eines Memorys, wie moderne Agrartechnologien zu globalen Herausforderungen wie Klimaschutz und Ernährungssicherheit beitragen. Dr. Olaf Katenkamp (Universität Vechta) präsentierte ein interaktives Portal, das die Use Cases Milchvieh, Schweine- und Hühnermast sowie die digitalen Tools zur Digitalisierung verschiedener Prozesse zeigte. Prof. Dr. Chadi Touma und Dr. Tanja Wolf (beide Universität Osnabrück) stellten eine nicht-invasive Methode zur Messung von Stresshormonen im Geflügelmastbetrieb vor. Dr. Jan Schattenberg, Phillip Hildner und Lars Gerloff (jeweils von der Technischen Universität Braunschweig) präsentierten das Einzelkorn-Säaggregat, mit dem Saatgut vereinzelt und mit wählbarem Reihen- und Saatabstand ausgebracht werden kann. Johannes von Ivernois und Norman Nebbe (DFKI) stellten eine Computer Vision in der Landwirtschaft vor. Gegen 18:00 Uhr beendete Herr Prof. Hertzberg offiziell die Veranstaltung und verabschiedete sich im Namen des Zukunftslabors bei allen Gästen.
Ansprechpartnerin für redaktionelle Rückfragen:
Kira Konrad B. A.
Marketing & Kommunikation
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