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Jetzt anmeldenIn den vergangenen Jahren haben die gesellschaftlichen Ansprüche an die Landwirtschaft stark zugenommen. Verbraucher*innen fordern mehr Tierwohl und einen nachhaltigeren Umgang mit der Natur. Zudem stellen die veränderten Wetterverhältnisse durch den Klimawandel – Dürre im Sommer, Hochwasser im Winter – Landwirt*innen vor große Herausforderungen. Daher sind neue Ansätze erforderlich, um eine effiziente und nachhaltige Lebensmittelproduktion zu gewährleisten. Digitale Technologien haben das Potenzial, landwirtschaftliche Prozesse zu verändern und die Umwelt zu entlasten. Konzepte wie das Spot Farming versprechen mehr Biodiversität, Blühstreifen und Artenvielfalt auf landwirtschaftlich genutzten Flächen. Inwiefern sich der Einsatz digitaler Technologien tatsächlich auf die Nachhaltigkeit auswirkt, ist noch nicht abschließend festgestellt. Daher untersuchen die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors die Nachhaltigkeitseffekte digitaler Technologien auf den drei Ebenen der Nachhaltigkeit: Ökologie, Ökonomie, Soziales.
Nachhaltigkeitsbewertung digitaler Technologien in der Agrar- und Ernährungswirtschaft
Die Wissenschaftler*innen führten 2023 eine umfangreiche Literaturanalyse durch. Das Ziel war es, Erkenntnisse über die bisherige Bewertung der Nachhaltigkeitsgewinne digitaler Technologien im Agrar- und Ernährungsbereich zu gewinnen. In einem systematischen Verfahren identifizierten sie unter mehreren tausend Treffern der Suchmaschinen 603 möglicherweise relevante Studien. Diese sortierten die Wissenschaftler*innen in mehreren Schritten aus, bis schließlich 26 Artikel vorlagen, die allen Kriterien entsprachen (u. a. explizit analysierter Zusammenhang zwischen Digitalisierung im Agrar- und Ernährungsbereich und Nachhaltigkeit, wissenschaftliche Analyse).
Die Auswertung zeigt, dass etwa die Hälfte der untersuchten wissenschaftlichen Arbeiten einen lebenszyklusbasierten Ansatz zur Bewertung der (ökologischen) Nachhaltigkeit verwendet.
Die analysierten Studien konzentrieren sich insbesondere auf die ökologische Nachhaltigkeit. Demnach werden im Kern ökologische Nachhaltigkeitsgewinne durch einen gezielteren Einsatz von z. B. synthetischen Düngern und Pflanzenschutzmitteln in der Landwirtschaft erreicht, wodurch u. a. Gewässer geschont werden. Hingegen betrachten wenige Studien die ökonomische Nachhaltigkeit, und die Bewertung der sozialen Komponente von Nachhaltigkeit ist unterrepräsentiert. Bei der sozialen Nachhaltigkeit ist besonders herausfordernd, dass sie bislang weder einheitlich definiert ist noch standardisiert gemessen werden kann. Oft ist von „verbesserten Arbeitsverhältnissen“ die Rede, aber es wird nicht definiert, was das konkret bedeutet. Führt Digitalisierung zu neuen, qualifizierten Arbeitsplätzen? Wirkt sich die Digitalisierung anders auf die Arbeit in der Landwirtschaft aus, wenn sie in einem Betrieb auf dem Land oder in der Stadt erfolgt? Hier besteht eine Forschungslücke. Darüber hinaus haben sich bisherige Studien noch nicht damit befasst, wie sich Künstliche Intelligenz auf die Wertschöpfungskette auswirken wird. Es fehlen systematische Auswertungen, auch in Kombination mit neuen Bewirtschaftungsmethoden wie etwa dem Spot Farming.
Zudem stellte sich heraus, dass die Auswirkungen digitaler Technologien auf die Nachhaltigkeit der Landwirtschaft an sich sowie entlang der Wertschöpfungskette schwer zu bestimmen sind. Denn viele neue digitale Technologien (z. B. robotergestützte Technologien, die eine automatisierte Entscheidung ermöglichen) sind in der Praxis noch nicht weit verbreitet. Daher liegen erst wenige Beobachtungsdaten vor, die für fundierte Bewertungen jedoch in großem Umfang notwendig sind.
Für zukünftige Forschung schlagen wir daher umfassendere Bewertungen, basierend auf Proof-of-Concepts in einer offenen Datenumgebung und digitalen Zwillingen für eine frühzeitige Bewertung vor, insbesondere für neuartige digitale Technologien, die noch nicht weit verbreitet sind. Diese Informationen dienen als Grundlage für technologische Verfeinerung, aber auch als Empfehlung, welche Technologien übernommen und potenziell von der Politik unterstützt werden können. In dieser Hinsicht ist eine Politik der offenen Daten unabdingbar, um sicherzustellen, dass diese Informationen weit verbreitet werden können.
Akzeptanz autonomer Feldroboter zur Beikrautkontrolle
Neben den Nachhaltigkeitseffekten spielen auch die Akzeptanz und die Nutzungsbereitschaft der Landwirt*innen eine große Rolle für eine langfristige Implementierung digitaler Technologien. Daher untersuchen die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Agrar, welche Faktoren die Akzeptanz und die Nutzungsbereitschaft beeinflussen.
Die Wissenschaftler*innen wollten herausfinden, welche Faktoren Landwirt*innen dazu bewegen können, zukünftig autonome Feldroboter zur Kontrolle von Beikraut (umgangssprachlich „Unkraut“ genannt) im Zuckerrübenanbau einzusetzen. Dafür entwickelten sie eine Online-Umfrage. Zunächst führten sie Gespräche mit zehn Expert*innen aus dem Zuckerrübenanbau (Landwirt*innen, Vertreter*innen von Anbauverbänden) sowie aus der Wissenschaft, um sich Hintergrundwissen zum Zuckerrübenanbau und zum Stand der Technik anzueignen. Daraufhin formulierten sie die Fragen für die Online-Umfrage. Diese verschickten sie an Landwirt*innen aus Nord- und Westdeutschland, die Zuckerrüben konventionell anbauen. Rund 350 Landwirt*innen nahmen an der Befragung teil.
Die Umfrage wurde gezielt an Landwirt*innen aus dem konventionellen Zuckerrübenanbau verschickt, da dort vornehmlich synthetische Pflanzenschutzmittel zur Beikrautkontrolle eingesetzt werden. Autonome Feldroboter jäten das Beikraut mit der Hacke, wodurch insgesamt weniger Pflanzenschutzmittel benötigt werden. Bei der Befragung ging es zum einen darum, die persönlichen Einstellungen der Landwirt*innen gegenüber der Nutzung autonomer Roboter zu erfahren. Dabei hinterfragten die Wissenschaftler*innen sowohl die technologiebedingten Hemmnisse und Beschleuniger („Wie werden z. B. technologische und arbeitsorganisatorische Umstellungen bewertet? Positiv oder negativ?“) als auch die Einflüsse des sozialen Umfeldes („Wie wichtig ist es, was andere bei der Umstellung/Nicht-Umstellung denken könnten?“). Zum anderen ging es darum, die neue Technologie im Unterschied zum aktuellen und bewährten System zu betrachten (z. B. „Was läuft im aktuellen System gut, was ein Umsteigen auf die neue Technologie verhindert?“).
Ergebnisse der Online-Umfrage zeigen, dass sich Landwirt*innen insbesondere dann vorstellen können, autonome Roboter einzusetzen, wenn diese effektiv sind. Das bedeutet, dass die Roboter zuverlässig funktionieren und nicht zu viel zusätzliche Arbeit für den Menschen verursachen. Zudem wollen Landwirt*innen die Kontrolle über ihre Arbeitsprozesse behalten. Darüber hinaus ergab die Umfrage, dass sie dem Einsatz von Robotik eher zurückhaltend gegenüberstehen, wenn sie mit ihrer aktuellen Verfahrensweise gut zurechtkommen. Allerdings können sich Zuspruch und positive Signale aus der Bevölkerung hinsichtlich der Nutzung von Robotik positiv auf die Einstellung der Landwirt*innen auswirken.
Ausblick: Methodik zur Messung von Nachhaltigkeit, Tierwohl und sozialer Nachhaltigkeit
Im Forschungsjahr 2024 werden die Wissenschaftler*innen Gespräche mit Expert*innen führen, um Methoden zu identifizieren, mit denen die Nachhaltigkeit digitaler Technologien im landwirtschaftlichen Einsatz gemessen werden kann. Für alle drei Nachhaltigkeitsdimensionen sollen Bewertungsskalen entwickelt werden. Dabei werden sich die Wissenschaftler*innen intensiver mit der sozialen Nachhaltigkeit beschäftigen. Da es hier noch keine einheitliche Definition gibt, werden sie sich damit auseinandersetzen, was soziale Nachhaltigkeit bedeutet.