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Jetzt anmeldenDie Art und Weise, wie wir uns in der Zukunft fortbewegen werden, wird anders sein als heute. Aktuelle Trends wie Micro Mobility (z. B. E-Scooter) und Shared Mobility (z. B. Car Sharing) sind erste Anzeichen dafür. Nicht nur angesichts des Klimawandels ist es wichtig, die herkömmliche Form der Mobilität, die stark durch private Fahrzeuge geprägt ist, zu verändern. Auch unsere Ansprüche als Nutzer*innen verändern sich und erfordern neue Konzepte. Mobilität muss effizienter, umweltverträglicher und flexibler werden.
Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Mobilität untersuchen zukünftige Mobilitätslösungen und erarbeiten Handlungsempfehlungen für deren Realisierung. Während ihrer Recherchen in den vergangenen Jahren stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass sechs Bereiche die Entwicklung der Mobilität stark beeinflussen: Medien, Gesellschaft, Technologie, Wirtschaft, Umwelt und Politik.
Für eine Konkretisierung dieser sechs Bereiche identifizierten die Wissenschaftler*innen über 300 Faktoren, die sich hinsichtlich ihrer Relevanz und Vernetzung voneinander unterscheiden. Um diese Komplexität zu reduzieren, ermittelten sie für jeden Bereich die wichtigsten Faktoren – die sogenannten Schlüsselfaktoren.
Auf Basis dieser Faktoren hatten die Wissenschaftler*innen Zukunftsszenarien erstellt, um möglichst realistische Prognosen zur Mobilität ab 2035 und 2050 zu treffen. Solche Zukunftsszenarien sind die Grundlage, um Anforderungen an das zukünftige Mobilitätssystem zu identifizieren und entsprechend innovative Technologien und Lösungen zu entwickeln und voranzutreiben. Für die Erstellung der Szenarien hatten die Wissenschaftler*innen sowohl die technologischen und gesellschaftlichen Entwicklungen der letzten 30 bis 50 Jahre als auch aktuelle politische und wirtschaftliche Ereignisse analysiert.
Daraufhin hatten sie mehrere Szenarien erstellt, von einem positiven Extremszenario (alle Möglichkeiten der digitalen Umsetzung und Innovationen werden genutzt, alles ist miteinander vernetzt, eine digitale Infrastruktur wurde umgesetzt) bis zu einem negativen Extremszenario (Innovationen und digitale Möglichkeiten konnten nicht umgesetzt werden, die Zukunft 2035+ gleicht nicht nur dem heutigen Stand, sondern einige Fortschritte wurden sogar zurückgenommen).
Unser Ziel ist es, Anforderungen und Handlungsempfehlungen sowohl für die Entwicklung als auch für die Wirtschaft und Politik abzuleiten, die eine gesunde, ressourcenschonende, nachhaltige und nutzerfreundliche Mobilität der Zukunft ermöglichen. Unsere Vision ist ein vernetztes Mobilitätssystem, das saubere Luft bietet, leise Verkehre ermöglicht, aber auch für eine aktive, sichere und inklusive Mobilität steht: mit leistungsfähigen Personenbeförderungen und Gütertransporten, einer erhöhten Lebensraumqualität sowie einer möglichst gleichwertigen Versorgung mit Mobilitätsdiensten.
Wechselwirkungen zwischen den Einflussfaktoren
In den vergangenen Jahren hatten die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors bereits Szenarien für die Logistik bzw. den industriellen Verkehr erstellt und mit Szenarien für die private und öffentliche Mobilitätsnutzung begonnen. Daran knüpften sie im Forschungsjahr 2023 an. Sie stellten die identifizierten Schüsselfaktoren in einer Vernetzungsanalyse einander gegenüber, um sie zu verdichten. Mit dieser Analyse prüften sie die Wechselwirkungen und Abhängigkeiten der Schlüsselfaktoren. Ein Beispiel: Die Akzeptanz der Gesellschaft entscheidet über den Einsatz von Technologien. Wenn die Menschen autonomen Fahrzeugen nicht vertrauen, können diese nicht eingesetzt werden. Hier beeinflusst also der Bereich „Gesellschaft“ den Bereich „Technologie“. Das Wissen über diese Wechselwirkungen und Abhängigkeiten ist insbesondere dann wichtig, wenn sich die Schlüsselfaktoren aufgrund politischer, wirtschaftlicher oder gesellschaftlicher Entwicklungen verändern. Denn dadurch kann sich auch die Entwicklung der Mobilität verändern.
Trendszenario „neues, grünes digitales Zeitalter“
Die Wissenschaftler*innen verknüpften die Szenarien aus der industriellen und der privaten Mobilität zu einem sogenannten Trendszenario: das „neue, grüne digitale Zeitalter“. Es zeichnet sich u. a. durch folgende Aspekte aus: Mobility as a Service (Integration verschiedener Verkehrsmittel und Bezahlsysteme), Konnektivität (nahtlose Kommunikation zwischen Fahrzeugen, Verkehrsinfrastrukturen und anderen Verkehrsteilnehmer*innen), Automatisierung von Fahrzeugen (z. B. selbstständiges Navigieren, Bremsen, Be- und Entladen von Transportgütern), intelligente Verkehrssteuerung (für einen optimalen Verkehrsfluss und zur Vermeidung von Staus), Nachhaltigkeit (Reduktion des CO2-Ausstoßes durch Sharing und die Förderung von Elektrofahrzeugen), Remote-Flottenmanagement (digitale Erfassung von Lenk- und Ruhezeiten, Kilometerständen, Routen), flexible Shuttles im ÖPNV (unterschiedliche Fahrgastkapazitäten, flexible Haltestellen und erste autonome Shuttles), effizientere Paketzustellung (gebündelte Zustellung, Drohnenlieferungen, autonome Fahrzeuge und Roboter im Warenlager und in der Warenverteilung), Einsatz Künstlicher Intelligenz (für effizientere Routenplanung, Lagerhaltung und Bedarfsprognosen), Anwendungen des Internet of Things zur Vernetzung von Gegenständen und Geräten (z. B. für die Echtzeitverfolgung von Waren oder die Temperaturerfassung bei Kühlketten) sowie Omni-Channel-Strategien im Online-Handel (nahtlose Integration von Online- und Offline-Kanälen). Dieses Trendszenario liegt zwischen den beiden Extremszenarien und wird sehr wahrscheinlich ab dem Jahr 2035 eintreffen.
Anpassung des Szenarios, Ermittlung von Voraussetzungen
Besonders starke politische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Faktoren können sich auf die erstellten Zukunftsszenarien auswirken. Deshalb überarbeiteten die Wissenschaftler*innen die Szenarien in Hinblick auf die Auswirkungen der Energiekrise und des Kriegs in der Ukraine. Zum Beispiel hat die Energiekrise dazu geführt, dass die Akzeptanz und Nutzung innovativer Energieerzeugung auch im privaten Bereich angestiegen ist (z. B. Solaranlagen auf dem Balkon), wodurch der Übergang zu erneuerbaren Energien schneller voranschreitet als ursprünglich angenommen. Dies wirkt sich auch auf die Mobilität der Zukunft aus, da das Bewusstsein für den Wechsel von fossilen Energieträgern auf innovative Alternativen gestärkt wurde. Die Wissenschaftler*innen untersuchten auch, welche Voraussetzungen erfüllt sein müssen, um eine gesunde, ressourcenschonende, nachhaltige und nutzerfreundliche Mobilität der Zukunft zu ermöglichen – also um das Szenario zu erreichen. Dafür analysierten sie die Anforderungen zunächst grob und dann immer genauer. Zum Beispiel ist die nahtlose Kommunikation zwischen den Mobilitätsträgern (z. B. Schiffe, LKW, PKW) eine Anforderung für die vernetzte Mobilität. Um diese nahtlose Kommunikation zu ermöglichen, müssen die Daten zwischen den Mobilitätsträgern gekoppelt werden. Dafür ist wiederum ein bestimmter Kommunikationsstandard erforderlich – sowohl national als auch international. Auf diese iterative Weise ermittelten die Wissenschaftler*innen, welche Voraussetzungen für das Trendszenario erfüllt sein müssen. Aus diesen Anforderungen leiteten die Wissenschaftler*innen Handlungsbedarfe ab, z. B. den Breitbandausbau als Handlungsempfehlung für die Politik.
Veränderungen der Informationsflüsse innerhalb der Lieferkette
Ihre Erkenntnisse nutzten die Wissenschaftler*innen auch, um die Informationsflüsse entlang der Logistikketten zu ermitteln und zu modellieren. Dabei konzentrierten sie sich auf Logistikketten im Hauptlauf See, also auf den maritimen Transport von Gütern mittels Seeschiffen, da 90 % des Welthandels über die See erfolgt und hier somit der größte Handlungsbedarf besteht. Zunächst skizzierten sie den aktuellen Stand, wie die Informationen zwischen den wichtigsten Akteuren (Versender, Verlader, Frachtführer, Container-Reederei, Hafen, Umschlagterminals, Empfänger) fließen. Anschließend untersuchten sie, wie sich diese Informationsflüsse zukünftig verändern müssen, um das Trendszenario zu erreichen. In der Modellierung werden die Akteure virtuell abgebildet; sämtliche Mobilitätsdaten der Akteure stehen zur Verfügung und werden ausgetauscht (z. B. für die optimale Wahl eines Transportes oder Lagerschrittes). Durch die virtuelle Abbildung werden Optimierungsmöglichkeiten entlang der Lieferkette deutlich. Ein Beispiel: Die Spedition kann auf Basis der Live-Daten mittels synchromodaler Entscheidungsmodelle einen geeigneten Slot für den Transport zum Empfänger und zum Umschlagterminal berechnen. Ebenso kann Künstliche Intelligenz bei der Bündelung kleinerer Sendungen zu Sammelladungen und bei der Lagerhaltung sowie der Distributionslogistik im Allgemeinen unterstützen. Dadurch können Leerstände und Leerfahrten vermieden werden und auch hierbei Kraftstoff und Emissionen eingespart werden.
User Stories
Des Weiteren erstellen die Wissenschaftler*innen User Stories für die private und öffentliche Nutzung von Mobilitätsträgern. User Stories betrachten die Anforderungen und Bedürfnisse an ein Produkt oder eine Leistung aus Sicht der Nutzer*innen. Zum Beispiel werden typische Tagesabläufe fiktiver Personen erstellt, um die Frage zu beantworten, wer was warum tun möchte. Diese User Stories tragen zu einer detaillierten Analyse des Trendszenarios bei.
Ausblick
Die Wissenschaftler*innen werden ihre Erkenntnisse nutzen, um Konzepte zu entwickeln, die den Seeschiffsverkehr in der Deutschen Bucht nachhaltiger und ressourcenschonender gestalten. Diese Konzepte könnten sich z. B. auf die Geschwindigkeit des Seeschiffs beziehen, das in der Regel Vollgas fährt. Mithilfe der Mobilitätsdaten entlang der Lieferkette könnte z. B. ermittelt werden, dass das Schiff nicht schneller als 10 Knoten fahren darf, damit es genau pünktlich im Zielhafen eintrifft. Indem Wartezeiten im Verladehafen verringert werden, entfällt z. B. das Kühlen der geladenen Ware an Bord, wodurch Energie eingespart wird.
Solche Konzepte werden die Wissenschaftler*innen prototypisch umsetzen und mit einem maritimen Demonstrator testen. Bei dem Demonstrator handelt es sich um eine Software, die reale Verkehrsdaten des maritimen Schiffsverkehrs enthält. Darüber können die Wissenschaftler*innen historische Verkehrssituationen abrufen (wo sind die Schiffe gefahren, wie lange warteten die Schiffe im Hafen die Ent- oder Beladung etc.) und mit den neuen Konzepten (wie dem zur Geschwindigkeit) vergleichen. Daraus können die Wissenschaftler*innen ableiten, inwieweit die Konzepte einen tatsächlichen Mehrwert haben und zu einem effizienteren und ressourcensparenden Transport beitragen würden. Über diesen Demonstrator können die Wissenschaftler*innen also den Nutzen der von ihnen entwickelten Verkehrskonzepte prüfen.