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Jetzt anmelden29.02.2024
Derzeit können viele Prozesse in der Landwirtschaft nicht miteinander verbunden und automatisch mit den erforderlichen Informationen versorgt werden, weil sich der Austausch von Daten zwischen verschiedenen Systemen als schwierig erweist. Es besteht eine fragmentierte Landschaft kleinerer, oftmals herstellergebundener Datensysteme.
Agrardatenräume bieten die notwendigen technischen Infrastrukturen, die die Integration vormals isolierter Datensysteme ermöglichen. Sie gewährleisten eine höhere Datensicherheit, eine bessere Datenverfügbarkeit unter Wahrung der Datenhoheit der landwirtschaftlichen Betriebe.
Aber wie funktionieren Agrardatenräume nun konkret? Welche Voraussetzungen sind notwendig, um sie für eigene, betriebliche Prozesse zu nutzen und welche Vorteile entstehen daraus? Welche ungenutzten Potentiale können noch erschlossen werden? Im Rahmen des Workshops am 21.02.2024 erhielten die Teilnehmenden die Möglichkeit, diese und weitere Fragestellungen mit regionalen Expert*innen. Insgesamt nahmen 26 Personen aus verschiedenen Branchen teil, darunter Futtermittel- und Landmaschinenhersteller, Forschungseinrichtungen, Berufliche Bildung, staatliche Stellen.
Begrüßung und Impulsvorträge
Zu Beginn der Veranstaltung stellte Maike Wiethaup das Mittelstand-Digital Zentrum Lingen.Münster.Osnabrück vor. Daraufhin gaben Dr. Olaf Katenkamp und Dr. Arne Ortland (Universität Vechta) einen Einblick in die Forschung des Zukunftslabors Agrar. Anschließend folgten drei Impulsvorträge: Helmut Vossmann (agmadata GmbH) gab den Teilnehmenden eine Einführung in Agrar-Datenräume: Wie die Land- und Ernährungswirtschaft mithilfe von Datenräumen die Souveränität über ihre Daten behält. Im zweiten Impulsvortrag von Dirk Warns (Feldversuchsstation für Grünlandwirtschaft und Rinderhaltung Ovelgönne), ging es um das Forschungsprojekt Digitalisierung des Futterbaus“ (DigiFu), bei dem eine zentrale Software (PC / Cloud) konzeptioniert wird, die alle betrieblichen Prozesse rund um den Futtermittel-anbau und die Fütterung integrieren soll. Der dritte und letzte Impulsvortrag von Hennig Beverborg (NEXT Farming GmbH), zeigte auf, welche Rolle Farm-Management-Informationssysteme (FMIS) bei der Integration fragmentierter, landwirtschaftlicher Daten spielen. NEXT Farming bietet eine Vielzahl von Applikationen für Landwirt*innen, die vom Maschinenmanagement, über Precision Farming, bis hin zu staatlichen Schnittstellen (Schlagkartei, Düngeverordnung, Crosscompliance) reichen.
Vernetzte Daten in der Praxis – Herausforderungen und neue Lösungswege
Nach einer kurzen Pause stand im zweiten Teil der Veranstaltung das Sammeln von Lösungsansätzen mithilfe von Kreativtechniken im Fokus. Konkret visualisierten die Teilnehmenden in zwei Arbeitsgruppen mithilfe der sogenannten Rich-Picture-Methode ein ideales, landwirtschaftliches Datenökosystem 10 Jahre in der Zukunft.
Die Rich-Picture-Methode wird dazu eingesetzt, komplexe, multidimensionale Herausforderungen hinsichtlich ihrer Wirkungszusammenhänge greifbar zu machen. Rich-Pictures setzen dabei stark auf die Visualisierung von Akteuren und Aktionen und deren Beziehungen zueinander. So wird gleichzeitig ein gemeinsames Problemverständnis unter den Teilnehmenden gefördert.
In der ersten Arbeitsgruppe stellten die Teilnehmenden eine Persona („Landwirtin Pauline“) in den Mittelpunkt, da schnell feststand, dass die Konzeptionierung eines idealen Agrardatenraums von den Bedürfnissen der einzelnen Landwirt*innen geleitet werden sollte. Die Spielregeln („Mensch-Ärger-Dich-Nicht-Feld“) müssen eine „faire Transparenz“ sicherstellen, die bei den Produzent*innen (Produktionsbedingungen, Löhne, etc.) anfängt und damit zwangsläufig die gesamte Wertschöpfungskette in die Pflicht nimmt. Fairness und Transparenz bedeuten für die Teilnehmenden auch, die Auswirkungen des Klimawandels („Sonne“) in zweierlei Hinsicht mitzudenken: 1) der Datenraum muss den Rahmen für zeitgemäße Wirtschaftspraktiken vorgeben, 2) in dem er (datenbasierte) Kooperationsformen zwischen Stakeholdern forciert, die ökonomische, soziale und ökologische Nachhaltigkeit zu gleichen Teilen berücksichtigen.
In der zweiten Arbeitsgruppe wurde als Ziel für Datenräume v. a. die Ressourceneffizienz genannt. Die Arbeit sollte erleichtert werden durch die Integration verschiedener Assistenzsystem (App’s) und die Daten sollten möglichst einfach ausgetauscht werden. Ein Teilnehmer berichtet, dass er vier verschiedene Apps im Kuhstall öffnen muss (für den Melkroboter, den Futterroboter, den Schieberoboter und den Reinigungsroboter). Es wäre daher gut, wenn eine Integration von Daten in einem FMIS oder in einem Datenraum ermöglicht wird. Dazu sind offene Schnittstellen (API), bestimmte Regeln und Standards nötig, um die Kompatibilität zu steigern. Dieselbe Sprache und ein einheitliches Verständnis erhöhen das Vertrauen. Je besser die Usability der Programme, die Verfügbarkeit und die Visualisierung der Daten, desto eher wird darauf zugegriffen. Ein Anreizsystem unterstützt den Prozess des Datenaustausches. Es müssen nicht immer nur monetäre Anreize sein, wenn der Datenaustausch einen Mehrwert hat, beteiligen sich alle Akteure häufiger. Die Optimierung von Prozessen sind durch bestimmte ‚Datenprogramme‘ mit Hilfe von Künstlicher Intelligenz vorstellbar.
Der Datenaustausch sollte entlang der Wertschöpfungskette wichtige Partner integrieren wie Behörden, Industrie, vor- und nachgelagerte Bereiche und Forschung. Die digitale Kompetenz muss frühzeitig in der Ausbildung und Qualifizierung vermittelt werden.
Ausblick
Die Beschäftigung mit Agrar-Datenräume zeigt, dass bei der Vernetzung von Daten noch ein hoher Handlungsbedarf besteht. Die Integration von Daten in übergreifenden Datenräumen muss technische, soziale und rechtliche Anforderungen berücksichtigen. Der Datentransfer von einer Anwendung zu einem anderen Assistenzsystem ist in der Praxis häufig noch stark herstellerabhängig. Die Interoperabilität von Systemen und Anwendungen sind durch viele Parameter bestimmt wie Art der Schnittstellen, angewendete Standards, ausgetauschte Daten und Datenformat, Datenarten (wie Telemetriedaten, Auftrag, georeferenzierte Daten). Es gibt mittlerweile zahlreiche Bemühungen und Initiativen im Agrarbereich wie Gaia X, IDS, ISO 11783, Agrirouter, AgGateway ADAPT, AEF EFDI, ADED mit speziellen Anforderungen für Datenformate, Datennutzung(skontrolle) und Schnittstellen. Die Heterogenität der Daten und Fragmentierung der Systeme führt zu einer großen Unübersichtlichkeit. Daher ist es begrüßenswert, wenn im EU-Data-Act die Interoperabilität in Zukunft verbessert werden soll. Initiativen, die die Kopplungen von Systemen befördern, werden ausdrücklich begrüßt.
In Europa gibt es in einigen Mitgliedsstaaten bereits erste Ansätze, dass Once-Only-Prinzip, d.h. die Vermeidung von doppelten Datenerhebungen, voranzutreiben (zum Beispiel in den Niederlanden oder in der Schweiz, das Landwirtschaftsportal Agate.ch.). Datenräume wie sie in der Gesundheitsbranche mit der elektronischen Patientenakte eingeführt wurden, haben die Interoperabilität hervorragend gesteigert. Die dort eingesetzten Softwaresysteme können problemlos gewechselt werden. Es gibt eine hohe Datensouveränität und eine sehr hohe Datensicherheit über Blockchain-Verfahren. Allerdings darf nicht verschwiegen werden, dass es auch sehr hohe Kosten für die Konzeption, die Umsetzung und den Betrieb gibt. Die Akzeptanz ist eine zentrale Bedingung für den Erfolg von Datenräumen. Daher ist es unabdingbar, eine Einigung über Spielregeln, die Governance und Bedingungen des Datenaustausches zu erzielen, damit Daten zum ‚Grundwasser‘ der Landwirtschaft werden.
Ansprechpartner*innen für Rückfragen:
Zukunftslabor Agrar
Dr. Olaf Katenkamp, Universität Vechta
Fakultät I - Wirtschaft und Ethik
Telefon: 04441 15 779
E-Mail: olaf.katenkamp@uni-vechta.de
Dr. Arne Ortland, Universität Vechta
Fakultät I - Wirtschaft und Ethik
Telefon: 01785291933
E-Mail: arne.ortland@uni-vechta.de
Mittelstand Digitalzentrum Lingen.Münster.Osnabrück
Maike Wiethaup
Telefon: 0541 9695366
E-Mail: m.wiethaup@hs-osnabrueck.de