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Jetzt anmeldenDigitalisierung als interdisziplinäre Herausforderung begreifen
Neben den massiven Veränderungen innerhalb der einzelnen Wirtschaftsbranchen, kommt es im Zuge der Digitalisierung auch zu grundlegenden Transformationsprozessen der Arbeit als solche. Die Arbeit mit hochgradig vernetzten Systemen und intelligenten Technologien zeigt sich schon heute auf verschiedenen Ebenen in veränderten Produktions-, Dienstleistungs- und Wertschöpfungsprozessen. Die Zusammenarbeit von Menschen mit Menschen, Menschen mit Maschinen oder Maschinen mit Maschinen wird grundlegend neu definiert und erlaubt ganz neue Arbeitsformen und Geschäftsmodelle: KI-Systeme werden zu neuen Kollegen und datenbasierte Geschäftsmodelle ersetzen analoge Vorgänger. Vor diesem Hintergrund werden weitreichende Auswirkungen diskutiert, die eine interdisziplinäre Herausforderung darstellen.
Wir können heute davon ausgehen, dass sich die Rollen-, Kompetenz- und Anforderungsprofile der Beschäftigten komplett neu justieren werden. Arbeits- und Interaktionsformen ändern sich genauso wie die Art und der Umfang der Beschäftigung. Wir geben Arbeit und teilweise auch Verantwortung an KI-Systeme ab und müssen uns fragen, wie sich das auf die Rollen der Mitarbeiter auswirkt. Gleichzeitig sind neue Kompetenzen und Fähigkeiten gefordert, um den Anforderungen an die neue Arbeitswelt zu genügen. Das gilt aber nicht nur für die Beschäftigten, sondern auch für die Arbeitsorganisation, kulturelle Faktoren sowie für institutionelle Rahmenbedingungen und die digitale Infrastruktur, die räumlich sehr unterschiedlich sein kann. Zur Diskussion stehen beispielsweise neue Arbeitsmodelle mit Kollaboration, flachen Hierarchien, flexiblerer Arbeitszeit und wechselnden Arbeitsorten, die oft nur dort funktionieren, wo es eine schnelle Internetverbindung gibt.
Die Zukunft der Arbeit muss daher aus verschiedenen Perspektiven heraus betrachtet werden. Wichtige Rollen spielen vor allem Disziplinen wie Informatik, Arbeits- und Organisationssoziologie, Organisationsforschung, Mittelstandsforschung, Wirtschaftsgeographie, Kultur- und Kommunikationswissenschaft und Recht. Um allen Perspektiven ausreichend Raum zu geben, werden im Zukunftslabor Gesellschaft & Arbeit drei Teilprojekte durchgeführt.
Wir verfolgen im Zukunftslabor Gesellschaft & Arbeit einen menschenzentrierten Ansatz. Der Begriff menschenzentriert steht in unserem Forschungsprojekt unter anderem für eine selbstbestimmte Arbeitsumgebung. Wir möchten die Chancen der Digitalisierung nutzen, um Gestaltungsspielräume zu öffnen, belastende Tätigkeiten zu minimieren und neue Beschäftigungssegmente zu schaffen. Lebensqualität und Wirtschaftlichkeit sind dabei keine Gegensätze. Wir nehmen die soziologische Dimension und die Informatik selbst in den Blick, legen zudem aber Wert auf die rechtlichen, wirtschaftspolitischen und politischen Zusammenhänge. Hier braucht es ein umfassendes wissenschaftliches Verständnis, um eine menschenzentrierte und sinnvolle Gestaltung zukünftiger Lebenswelten zu ermöglichen.
Gestaltung digitaler Arbeitswelten: Möglichkeiten, Konzepte und Voraussetzungen
Die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeit werden in den Medien, aber auch wissenschaftlich kontrovers diskutiert. Während die eine Seite vorwiegend die Chancen und Möglichkeiten einer digitalisierten Arbeitswelt in den Vordergrund stellt, rückt die andere Seite den Fokus eher auf die Herausforderungen und Gefahren. In pessimistischen Prognosen wird von einer fortschreitenden Formalisierung von Arbeitsprozessen, einer Entwertung und Substitution von Tätigkeiten sowie von neuen Überwachungs- und Kontrollmechanismen ausgegangen. Dagegen stellen optimistische Szenarien wachsende Gestaltungsspielräume in den Mittelpunkt, die uns von belastenden Arbeiten befreien und somit Ressourcen für höherqualifizierte Tätigkeiten freigeben.
Der gemeinsame Nenner beider Sichtweisen ist der große Umfang der bevorstehenden und zum Teil bereits eingeleiteten Veränderungen. Digitale Technologien werden die Arbeit der Zukunft massiv verändern. Das betrifft sowohl die Art und Weise wie wir künftig arbeiten werden als auch die Arbeitstätigkeiten selbst. Im Teilprojekt „Gestaltung digitaler Arbeitswelten: Möglichkeiten, Konzepte, Voraussetzungen“ geht es daher um eine proaktive Gestaltung von Technologien und Prozessen in Organisationen. Die Entwicklung digitaler Technologien steht hier vor der Herausforderung, den humanorientierten, sozialen und wirtschaftlichen Anforderungen gleichzeitig gerecht werden zu müssen. Ziel ist das optimale Zusammenspiel von Technik, Mensch und Organisation.
Künstliche Intelligenz und Organisationsprozesse
Die rasante Entwicklung von Automatisierungs- und KI-Technologien bietet Organisationen vielfältige neue Möglichkeiten zur Optimierung von Arbeitsprozessen bis hin zu neuen Geschäftsmodellen. Moderne KI-Lösungen können Entscheidungen vorbereiten, unterstützen und teilweise sogar selbst treffen. Je weniger Menschen jedoch in Entscheidungsprozesse involviert sind, umso wichtiger wird eine verlässliche Nachvollziehbarkeit der Entscheidungen und Aktionen intelligenter IT-Systeme. Insbesondere für Entscheidungen, die KI-Systeme mit Hilfe von Deep Learning treffen, gibt es dafür aktuell aber noch keine verfügbaren Methoden.
Im zweiten Teilprojekt „Künstliche Intelligenz und Organisationsprozesse“ werden daher Methoden entwickelt und reflektiert, die die Technologien selbst optimieren. Dazu müssen im Verlauf der Forschung auch die ethischen und regulatorischen Rahmenbedingungen bestimmt werden, auf deren Basis KI-Systeme künftig entwickelt werden. Ein wichtiges Ziel ist es unter anderem schon bei der Entwicklung von KI-Lösungen Diskriminierungen zu vermeiden und die Fairness zu steigern. Zudem muss auch rechtlich geregelt werden, wer für Entscheidungen verantwortlich ist, die von KI-Systemen getroffen werden. Die Notwendigkeit der rechtlichen Regulation wird vor allem bei sicherheitskritischen Entscheidungen deutlich, beispielsweise beim autonomen Fahren.
Regulatorischer Rahmen und wirtschaftspolitische Instrumente
Im dritten Teilprojekt werden schließlich die übergeordneten institutionellen Rahmenbedingungen der digitalen Transformation in drei zusammenhängenden Themenfeldern analysiert. Untersucht werden erstens die Auswirkungen der digitalen Transformationsprozesse auf die Entwicklung unterschiedlicher Räume: Geht die Schere zwischen ländlichen und urbanen Räumen weiter auf oder sorgt die Digitalisierung für eine neue Chancengleichheit und ein Aufholen bislang ökonomisch oder demographisch benachteiligter ländlicher Regionen? Ein weiteres Auseinanderdriften wäre besonders für ein ländlich geprägtes Bundesland wie Niedersachsen sehr problematisch und müsste mit geeigneten regulatorischen und wirtschaftspolitischen Instrumenten verhindert werden.
Zudem stellt sich zweitens die Frage, wie eine rechtssichere Gestaltung maschineller und KI-basierter Entscheidungsprozesse aussehen könnte. Die fehlende regulatorische Begleitung führt in der Praxis momentan noch zu großer Zurückhaltung bei der Nutzung digitaler Schlüsseltechnologien, weil den Unternehmen die Rechtssicherheit fehlt. Und drittens beschäftigt sich das Teilprojekt mit der Frage, wie eine digitale Start-Up-Kultur gefördert werden kann und wie sich die Wachstumsprozesse innovativer Unternehmen in Niedersachsen positiv durch institutionelle Strukturen verbessern und unterstützen lassen.
Was noch zu tun ist
Bei der Digitalisierung der Arbeitswelt geht es nicht nur um eine technologische Entwicklung, sondern auch um die rechtlichen Rahmenbedingungen und die sozioökonomischen Auswirkungen auf verschiedenen Ebenen – von der Makroebene der Gesellschaft, über Organisationsstrukturen bis zur Mikroebene einzelner Beschäftigter. Im Kontext dieser vielfältigen Wechselwirkungen lassen sich die wichtigsten Fragen nur mit einem interdisziplinären Forschungsansatz beantworten, wie ihn das Zukunftslabor Gesellschaft und Arbeit verfolgt.
Eine wichtige Aufgabe für das Zukunftslabor besteht zudem darin, eine grundsätzliche Offenheit für die digitale Arbeitswelt herzustellen. Nur wenn bisherige Gewissheiten und Herangehensweisen ergebnisoffen auf den Prüfstand gestellt werden können, lassen sich die Anforderungen der Digitalisierung an die Arbeitswelt von morgen adäquat erfüllen. Bei allen wirtschaftlichen, rechtlichen und technologischen Aspekten darf vor allem eine menschenzentrierte und gemeinwohlorientierte Gestaltung nicht vergessen werden und sollte das oberste Ziel sein.
ÜBER DAS ZUKUNFTSLABOR GESELLSCHAFT & ARBEIT:
Zukunftslabor-Sprecher: Prof. Dr. Wolfgang Nejdl, Leibniz Universität Hannover & Leiter des L3S
Beteiligte wissenschaftliche Einrichtungen:
• Georg-August-Universität Göttingen - Lehrstuhl für Wirtschaftspolitik und Mittelstandsforschung
• Hochschule Osnabrück - Institut für Kommunikationsmanagement
• Leibniz Universität Hannover - Institut für Wirtschafts- und Kulturgeographie
• Leibniz Universität Hannover - Institut für Rechtsinformatik
• Leuphana Universität Lüneburg - Institut für Kultur und Ästhetik digitaler Medien
• Soziologisches Forschungsinstitut Göttingen
• Universität Hildesheim - Forschungsbereich Wirtschaftsinformatik und maschinelles Lernen
• OFFIS Institut - Bereich Gesundheit
Zum Start beteiligte Praxispartner: 13