NEWSLETTER ABONNIEREN
Sie interessieren sich für die Projekte und Ergebnisse unserer Zukunftslabore? Unser Newsletter fasst die wichtigsten Ereignisse alle zwei Monate zusammen.
Jetzt anmelden20.04.2021
Die Urproduktion von landwirtschaftlichen Erzeugnissen spielt in Niedersachsen eine zentrale Rolle. Auch in diesem Sektor hat die Digitalisierung mit innovativen Cloud-Systemen, GPS und Big Data Lösungen Einzug gefunden. Somit wird die Frage um das Datemanagement zum zentralen Aspekt der digitalen Landwirtschaft. Anhand des Beispiels Masthühner begannen die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Agrar damit, die landwirtschaftlichen Daten zu analysieren, die durch Kommunikationstechnologien erhoben und in verschiedenen Systemen gespeichert werden. Ziel ist es, Lösungen für die Probleme der Datenflüsse zu finden, die aufgrund unterschiedlicher Datenmanagement-Lösungen ohne gemeinsame Standards vorliegen. Außerdem wollen die Wissenschaftler*innen Potenziale für Schnittstellenoptimierungen erarbeiten und Optionen für eine nachhaltige wirtschaftliche Verwendung der bisher ungenutzten Daten ermitteln.
Zunächst stellten sich die Wissenschaftler*innen die grundsätzliche Frage, wer welche Daten wie produziert bzw. wer von wem Daten erhält und verarbeitet. Dafür analysierten sie die rechtlichen Rahmenbedingungen zur Erfassung und Weitergabe landwirtschaftlicher Daten. Sie prüften, welche Gesetze und Verordnungen auf Bundes-, Landes- und Europaebene gelten und welche Anforderungen sie an die landwirtschaftlichen Betriebe stellen. Hierfür kategorisierten sie die Gesetze, um sie in einer Datenbankstruktur abbilden zu können. Ein aktuelles Zwischenergebnis zeigt, dass für einen Landwirtschaftsbetrieb mit Ackerbau und Nutztierhaltung mehr als 100 Gesetze und Verordnungen relevant sind, die der Betrieb zu beachten hat. Für die Nutztierhaltung auf Bundesebene sind das Tierschutzgesetz und die Nutztierhaltungsverordnung von größter Bedeutung.
Im Rahmen der Interviews haben Landwirtinnen und Landwirte Bedenken bezüglich der Digitalisierung geäußert. Sie befürchten, dass durch eine erhöhte Datentransparenz Schwächen im Betrieb offengelegt werden und sie dadurch Nachteile im Wettbewerb oder innerhalb der Lieferkette haben. Hier wird deutlich, wie wichtig die Geschützte Transparenz ist, um die Datenhoheit der landwirtschaftlichen Betriebe zu wahren.
Des Weiteren führten die Wissenschaftler*innen eine Literaturanalyse zu den Datenflüssen auf landwirtschaftlichen Betrieben durch und identifizierten, welche Daten dort erhoben werden. Dazu zählen z. B. Futterverbrauch und Gewicht der Tiere. Daraufhin führten die Wissenschaftler*innen qualitative Interviews durch, um Informationen über aktuelle Datenflüsse (z. B. zwischen Maschinen, Plattformen, intermediären Institutionen), bürokratische Vorgaben sowie Online-Portale zur Übermittlung von Daten zu gewinnen. Außerdem informierten sie sich über die Häufigkeit der Datenerhebung und die Kosten-Nutzen-Relation bei der Erhebung betriebsinterner Daten. Um ein möglichst großes Bild davon zu erhalten, wie die jeweiligen Daten erhoben werden und welche Optimierungsbedarfe bzw. Herausforderungen bestehen, wurden bewusst unterschiedliche Anspruchsgruppen entlang des Wertschöpfungsnetzes befragt: Landwirt*innen, Direktvermarkter*innen auf dem Wochenmarkt, landwirtschaftliche Berater*innen, dienstleistende Unternehmen für landwirtschaftliche Datensysteme, Anbieter von Technik-Lösungen, Landesamt für Verbraucherschutz, Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung sowie Institutionen zur Vergabe von Zertifizierungen.
Die Auswertung der Interviews zeigt, dass die Datenerhebung sehr unterschiedlich in landwirtschaftlichen Betrieben erfolgt. Größe und Ausstattung sowie Alter der Betriebsleiter*innen beeinflussen die Datenerhebung vor Ort. In kleineren und mittleren Betrieben sowie in Betrieben mit älteren Landwirt*innen erfolgt die Datenerfassung zumeist händisch. Auf größeren Höfen oder Betrieben mit jüngeren Besitzer*innen werden zunehmend digitale Technologien eingesetzt. Außerdem zeigt die Auswertung, dass die Digitalisierung für landwirtschaftliche Zertifizierungen eine untergeordnete Rolle spielt; Kontrolleur*innen erheben die notwendigen Daten oft händisch direkt vor Ort. Zudem wird deutlich, dass der Zeitaufwand durch die Eingabe von Daten in diverse Programme und Plattformen sehr hoch ist. Größtenteils müssen Daten mehrfach in Systeme eingegeben werden (z. B. zur Erfüllung rechtlicher Vorgaben, zur Beantragung von Zertifizierungen, zur Mitteilung über verabreichte Medikamente), da die Systeme sehr häufig untereinander nicht kompatibel sind und unterschiedliche Regelungen zwischen den Bundesländern existieren. Daraus zeichnet sich ein deutlicher Bedarf nach bundeseinheitlichen Plattformen zur landwirtschaftlichen Datenerfassung ab. Wünschenswert wäre es, dass auch die Institutionen, die Zertifizierungen vergeben, auf diese Daten zugreifen könnten und damit Antragsformulare entfallen. Im Rahmen der Untersuchungen wurde deutlich, dass das digital gestützte Datenmanagement durchaus in der Wirtschaft gewollt ist, die durchgängig geschützte Transparenz jedoch bislang kaum Akzeptanz findet. Im weiteren Verlauf des Zukunftslabors werden die Wissenschaftler*innen auch die Datenerhebung in der Milchvieh- und Schweinehaltung, untersuchen, damit sie umfassende Aussagen über die Datenerhebung in der Tierhaltung treffen können.