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Jetzt anmelden18.02.2021
Nach dem erfolgreichen Auftakt der virtuellen Konferenzreihe im Dezember fand am 26.01.2021 die zweite Podiumsdiskussion des Zukunftslabors Agrar statt. Daran nahmen 134 Personen aus Wissenschaft, Wirtschaft und Politik teil. Das Thema lautete: „Entwicklungsszenarien neuer Pflanzenbausysteme – Chancen und Herausforderungen des Spot Farmings.“ Beim Spot Farming handelt es sich um eine bislang noch konzeptionelle Form des Pflanzenbaus, bei der die Grundbedürfnisse der Kulturpflanzen intensiver als bisher im Fokus stehen. Der heterogene Acker soll dafür in kleine Bereiche mit gleichen Eigenschaften eingeteilt und mithilfe von autonomen Maschinen standort- und einzelpflanzenspezifisch bewirtschaftet werden. Ziel ist die nachhaltige Intensivierung des Pflanzenbaus, d. h. mit weniger Input an Dünge- und Pflanzenschutzmitteln mehr Ertrag zu erwirtschaften. Dabei sollen gleichzeitig negative Umwelteffekte begrenzt werden, z. B. weniger Bodenverdichtung durch den Einsatz kleiner Roboter oder weniger Nitratauswaschungen durch präzisere und bedarfsgerechtere Düngung. Zusätzlich werden Umweltleistungen wie z. B. die Steigerung der Biodiversität in der Agrarlandschaft mit verfolgt, weil das Konzept auch die Landschaftsebene mitberücksichtigt.
An der Podiumsdiskussion beteiligten sich Prof. Dr. Jens Karl Wegener (Julius Kühn-Institut, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz), Dr. Jan Schattenberg (Technische Universität Braunschweig, Institut für mobile Maschinen und Nutzfahrzeuge), Josef Stangl (Horsch Maschinen GmbH, Produktmarketing), Mauritz von Grundherr (Rittergut Lucklum, Leitung Biolandwirtschaft) sowie Prof. Dr. Cornelia Weltzien (Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie, Abteilung Technik im Pflanzenbau).
Der Moderator der Diskussionsrunde, Prof. Dr. Ludger Frerichs (Technische Universität Braunschweig, Institut für mobile Maschinen und Fahrzeuge), eröffnete die Veranstaltung mit einem Kurzvideo (Quelle: Technische Universität Braunschweig) über Sport Farming und einem kurzen Eingangsstatement: Die Pflanzenbausysteme müssten zukunftsgerichtet angepasst werden, aber dabei im Sinne der Ernährungssicherung ertragreich und für Landwirt*innen wirtschaftlich bleiben. Spot Farming sei eine Lösung hierfür, da es sich um ein ganzheitlich betrachtetes Anbausystem handele, das noch stärker als bisher auf die Bedürfnisse der Pflanze ausgerichtet sei.
Optimierungspotenziale durch Spot Farming
In einem Impulsvortrag ging Prof. Wegener näher auf das Spot Farming ein: Das Ziel sei es, im Spot Farming mit weniger Ressourcen mehr Ertrag erwirtschaften zu können. Außerdem sei es möglich, den Pflanzenbau widerstandsfähiger gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels zu machen und gleichzeitig auch auf soziale sowie umweltverträgliche Aspekte Rücksicht zu nehmen. Beim Spot Farming gäbe es vier Kernthemen für Optimierungen: Zuerst gehe es um eine verbesserte Zuordnung von Pflanzen zu Standorten. Dafür würden verschiedenste digitale Informationen wie z. B. Bodenarten, Ertrag, Höhenprofil, Flächenexposition, Verschattung (z. B. durch Bäume) und das Erosionspotenzial innerhalb der Fläche berücksichtigt, um Teilflächen mit weitestgehend homogenen Eigenschaften zu ermitteln. Zudem werde eine optimierte räumliche Bewirtschaftung, z B. durch Gleichstandsaat, angestrebt. Außerdem biete Spot Farming Potenziale für einen verbesserten Gebrauch von Agrarchemikalien. Dabei gehe es um die Fragestellung, ob einzelpflanzenspezifische Pflanzenschutz- und Düngestrategien realisierbar seien und mit welcher Technik diese zeitlich und örtlich wesentlich gezielter appliziert werden könnten. Das vierte Kernthema sei die Stärkung funktionaler Strukturen in der Agrarlandschaft. Hier betrachte man das Angebot und die Verteilung von Gräben, Hecken, Blühstreifen und Saumstrukturen im Landschaftskontext. Diese Strukturen böten nicht nur Lebensräume, vernetzten diese und förderten die Biodiversität, sondern schützten die Kulturpflanzen auch vor Erosion durch Wind und Wasser und entwässerten die Flächen effizient bei Starkregenereignissen.
Der Weg zum Spot Farming
Nach kurzen einleitenden Statements der Teilnehmenden eröffnete Prof. Frerichs die Diskussion mit der Frage, wie der Weg zum Sport Farming aussehen könnte. Herr Stangl ging zunächst auf die technische Seite ein. Ihm zufolge ist für einen vereinfachten Beginn die erforderliche Technik größtenteils bereits vorhanden, wird aber noch nicht in der notwendigen Verfahrenskombination eingesetzt, weil noch zu viele Hürden im Gesamtprozess vorliegen. Frau Prof. Weltzien entgegnete, dass die Technik noch nicht genügend Arbeit abnehme, sondern derzeit noch mehr Arbeit erzeuge. Hier brauche es noch mehr Digitalisierung und kognitive Intelligenz. Herr von Grundherr ging auf die Problematik nicht aktueller Applikationskarten ein. Mit diesen Karten könnten Landwirt*innen ihre Parzellen eintragen und Satellitenbilder dazu analysieren. Auf diesem Wege könnten sie Veränderungen innerhalb der Kultur erkennen und daraufhin Dünge- sowie Pflanzenschutzmittel angepasst variabel ausbringen. Wenn diese Applikationskarten veraltet seien, so Herr von Grundherr, könnten Landwirt*innen sie nicht effektiv für die Bestellung, Bewässerung und Düngung ihrer Felder nutzen. Ergänzend dazu äußerte Herr Prof. Wegener, dass die vom einzelnen Landwirt bewirtschaftete Fläche mit der Zeit immer größer geworden sei und dadurch das spezifische Wissen um die Besonderheiten eines jeden einzelnen Schlages abgenommen habe. Digitalisierung könne hier Abhilfe schaffen, in dem Informationen gebündelt, aufbereitet und in Erfahrungswissen transformiert würden, die den Landwirt*innen helfet, auch neue Schläge im Betrieb so zu bewirtschaften, als wären sie schon seit langem Betriebsbestandteil. Herr Dr. Schattenberg wies darauf hin, dass die Art der Technik nach ihrem Mehrwert für den jeweiligen Einsatzzweck ausgewählt werden müsse und es keine Frage des entweder oder, sondern der Kombination aller Möglichkeiten sei.
Homogener Pflanzenbestand für homogene Produkte?
Einen weiteren Aspekt brachte das Publikum in die Diskussion ein: Große Lebensmittelketten forderten homogene Produkte, für die ein homogener Pflanzenbestand erforderlich sei. Wie stehe das im Verhältnis zum Spot Farming, bei dem es um die individuelle Pflanze und ihren Anbau gehe? Herr von Grundherr antwortete, dass ein Umdenken in der Gesellschaft erforderlich sei und die Bedeutung der lokalen Wertschöpfung in den Vordergrund rücken müsse. Frau Prof. Weltzien ergänzte, dass für die Produkte auch faire Preise notwendig seien. Außerdem verwies sie auf Sensortechnik, die für einen gleichmäßigen Bestand sorgen könne. Dem entgegnete eine Person aus dem Publikum, dass Landwirt*innen jedoch auch in die Lage versetzt werden müssten, mit solchen Technologien und der neuen Komplexität des Spot Farmings umgehen zu können. Diese Herausforderung müsse im Vordergrund stehen. Dem stimmte Herr Dr. Schattenberg zu. Technik solle nicht als Gegner wahrgenommen werden, sondern ergänzend zur menschlichen Arbeit und zum menschlichen Wissensbestand, den Landwirt*innen seit Jahrzehnten gesammelt hätten. Es gehe auch darum, die Gesellschaft mit einzubeziehen und durch Transparenz und Vielfalt die aufkommende Kluft zwischen landwirtschaftlicher Produktion und Verbraucher*innen wieder zu schließen.
Die Pflanze im Laufe der Zeit
Moderator Prof. Frerichs warf eine neue Frage in den Raum: Wie hat sich die Pflanze in den bisherigen Verfahren über die Zeit verändert? Was für Anpassungen erfordert die Zukunft? Daraufhin äußerte Herr Prof. Wegener, dass die Kulturpflanzen heute alle für die Drillsaat gezüchtet seien und nicht für die im Spot Farming angestrebte Gleichstandsaat. Die Gleichstandsaat erlaube nahezu ohne Ertragsverluste eine Halbierung der Aussaatmengen. Die Pflanzen würden zudem gegenüber der Drillsaat sehr viel gleichmäßiger verteilt. Dadurch würden ganz andere Anforderungen an die Pflanzen gestellt, die wir zum einen noch gar nicht genau kennen und zum anderen mit den heutigen Sorten womöglich gar nicht vollständig erfüllen. Hier ergänzte Herr von Grundherr, dass eine Mischung unterschiedlicher Pflanzenarten zu mehr Diversität beitrage. Deutschland habe bereits einen guten Köcher an Pflanzen, der mehr genutzt werden sollte. Die hierfür notwendige Technik müsse erforscht werden, ergänzte Dr. Schattenberg. Hier biete sich eine Chance, mit hoch automatisierten Maschinen und Robotern unter Nutzung aller verfügbaren Informationen und Technologien die Vielfalt auf dem Acker zu erhöhen, diese nachhaltiger zu bewirtschaften und gleichzeitig Risiken wie Trockenstress oder Krankheiten in ihrer Auswirkung abzufedern.
Einteilung der Spots
Eine letzte Frage kam aus dem Publikum: Wie werden die Größen für die Spot Farming Flächen eingeteilt und wie funktioniert das mit den Transportwegen dorthin? Herr Prof. Wegener erklärte anhand eines Kartenbeispiels aus der Praxis, dass viele Spots gar nicht so klein seien, wie man vielleicht annehme, und oftmals bereits Anschluss an bestehende Zuwegungen bestünden. Bei den wenigen, wo das nicht der Fall sei, müsse man deren Einbindung pragmatisch vornehmen. Sie könnten z. B. in Funktionselementen mit Dauerkulturen überführt oder einem anderen benachbarten Spot zugeschlagen. Eine weitere Möglichkeit bestehe darin, eine separate Zufahrtsmöglichkeit zu schaffen. Das sei im jeweiligen Gesamtkontext zu entscheiden. Genau dafür arbeite das JKI derzeit an Methoden, um diesen Zuschnitt nach Größe und Art zu ermöglichen.
Den Abschluss der Podiumsdiskussion bildeten Statements der Referent*innen. Herr Prof. Wegener sprach sich für eine genauere digitale Flächenanalyse als Grundlage für die heute angestrebte teilflächenspezifische Bewirtschaftung aus. Diese sei auch perspektivisch für neue Pflanzenbausysteme wie Spot Farming ein notwendiger Entwicklungsschritt. Frau Prof. Weltzien betonte noch einmal, dass kleine Flächen mithilfe von Robotik bewirtschaftet werden könnten und dadurch mehr Pflanzendiversität und ein höherer Ertrag möglich sei. Ergänzend fügte Herr von Grundherr hinzu: Biodiversität habe durch Spot Farming enorme Chancen. Als Landwirt erhoffe er sich mithilfe der Wissenschaft, die notwendigen Erfordernisse für den Einsatz von Spot Farming zu erforschen. Er stelle gerne 20 Hektar Land zur Verfügung, um neue Ideen und Techniken testen zu können. Herr Stangl plädierte dafür, die Wirtschaftlichkeit und Sicherheit von Betrieben im Blick zu behalten und die Erfahrungen älterer Landwirt*innen einzubeziehen. Dem fügte Herr Dr. Schattenberg hinzu, das Langzeitwissen zu archivieren und verwies hier nochmal auf die gemeinsamen Arbeiten im Zukunftslabor Agrar: Welche Informationen benötigen wir? Wie bekommen wir sie? Wo ist der Nutzen? Der Fortschritt könne nicht rein technisch getrieben sein, sondern müsse alle Aspekte und Akteure mit einbeziehen.
Nächstes Podiumsdiskussion: GAIA-X und Agri Gaia
Die nächste Podiumsdiskussion des Zukunftslabors Agrar wird am 25.02.2021 von 16:00 Uhr bis 17:30 Uhr stattfinden. Das Thema lautet: „GAIA-X und Agri Gaia – Nutzen der europäischen Dateninfrastruktur für digitale Anwendungen in der Agrarwirtschaft“. Eingeladen sind alle, die sich für die Chancen, Hindernisse, Herausforderungen und Veränderungen interessieren, die mit der Digitalisierung der Landwirtschaft einhergehen.
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