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Jetzt anmeldenDas Zukunftslabor Mobilität erforscht innovative Mobilitätskonzepte, um den Verkehr nachhaltiger zu gestalten und an die Bedarfe der Menschen anzupassen. Ein Teil der Forschung beschäftigt sich mit dem autonomen Fahren. Autonome Fahrzeuge müssen über eine Vielzahl intelligenter Systeme verfügen, damit sie selbstständig alle möglichen Fahrsituationen bewältigen können. Diese intelligenten Systeme sind miteinander vernetzt und in ihrer Komplexität deutlich anspruchsvoller und komplizierter als bisherige Fahrzeugsysteme. Kern dieser intelligenten Systeme sind elektronische Regelsysteme, die u. a. für die Stabilität des Fahrzeuges sorgen oder beim Bremsen assistieren. Elektronische Regelsysteme sind heute schon vorhanden (z. B. Anti-Blockier-System, elektronische Bremskraftverteilung). Sie müssen perspektivisch auch in autonomen Fahrzeugen funktionieren, woraus sich neue Herausforderungen für die Entwicklung ergeben.
Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors entwickeln intelligente elektronische Regelsysteme für autonome Elektro-Fahrzeuge. Dabei nutzen sie die in der Praxis bewährte mechatronische Entwicklungsmethodik. Das bedeutet, dass sie mit der Entwicklung der grundlegenden Fahrzeugfunktionen – wie dem Bremsen – beginnen und dann zu den übergeordneten Funktionen vordringen (z. B. selbstständige Routenplanung des Fahrzeugs).
Entwicklung intelligenter Funktionen zur autonomen Längs- und Querdynamik
Im Forschungsjahr 2023 entwickelten die Wissenschaftler*innen intelligente, autonome Regelfunktionen. Dazu zählen sowohl die Funktionen für die Längsdynamik, die zur Einhaltung von Abstand und Geschwindigkeit dienen, als auch die Funktionen für die Quer- und Lenkdynamik, mit der die Lenkbewegung zum Folgen der Fahrbahn autonom gewährleistet wird. Für die Entwicklung der intelligenten, autonomen Regelfunktionen erweiterten die Wissenschaftler*innen Algorithmen moderner Regelungstechnik um Künstliche Intelligenz und Machine Learning. Diese ermöglichen die schnelle Berechnung komplexer Informationen (z. B. Beschaffenheit der Fahrbahn, Geschwindigkeit des Fahrzeuges, Position anderer Fahrzeuge), um das gewünschte Verhalten umzusetzen. So entscheiden die intelligenten Algorithmen z. B. darüber, ob die Geschwindigkeit bei Nässe reduziert werden muss, damit das Fahrzeug nicht ins Schleudern gerät, oder ob gegengelenkt werden muss.
Mit einer höheren Automatisierung des Fahrbetriebes geht auch ein Anstieg der Anforderungen an das Fahrzeug bzw. die automatisierten Fahrfunktionen einher. Aktuelle Funktionen und Algorithmen, die auf Methoden der Regelungstheorie oder der klassischen Informationsverarbeitung basieren, können diesen nicht mehr in vollem Umfang gerecht werden. Deshalb stellt die Ergänzung durch Künstliche Intelligenz für viele Domänen, die an der Entwicklung und Nutzung intelligenter, automatisierter, kooperativer Fahrzeuge beteiligt sind, eine Schlüsseltechnologie dar. Im Rahmen des Zukunftslabors Mobilität untersuchen wir daher diverse Funktionen auf ihre KI-Erweiterbarkeit und den dadurch gewonnenen Mehrwert.
Um die Funktionsweisen zu testen und zu optimieren, bildeten die Wissenschaftler*innen das Fahrzeug virtuell ab und stellten die Funktionen als Modell dar. Dies wird als modellbasierte Entwicklung bezeichnet. Diese virtuelle Vorgehensweise ermöglicht es, die Funktionen in einem durchgängigen Prozess zu entwickeln, bevor sie in einem echten Fahrzeug eingebaut werden.
Validierung mittels Model-in-the-Loop und Software-in-the-Loop
Um intelligente Fahrzeugfunktionen wie für die Längs- und Querdynamik modellbasiert zu entwickeln und zu testen, bauten die Wissenschaftler*innen eine CAE-Entwicklungsplattform auf (CAE = Computer Aided Engineering) für die Funktionsentwicklung mit einem durchgängigen, modellbasierten Entwicklungsprozess. Diese CAE-Entwicklungsplattform bietet verschiedene Möglichkeiten zur Simulation und Validierung der entwickelten Funktionen: Model-in-the-Loop (MiL), Software-in-the-Loop (SiL) und Hardware-in-the-Loop (HiL). Bei Model-in-the-Loop handelt es sich um eine Offline-Simulation aller beteiligten Komponenten und Fahrzeugfunktionen in Form von Simulationsmodellen auf einem Rechner. Software-in-the-Loop beschreibt ebenfalls eine Offline-Simulation aller beteiligten Komponenten und Fahrzeugfunktionen, allerdings in Form des Binär-Codes, welcher aus der in MiL-Ebene prototypisch implementiert wird. Hardware-in-the-Loop bezeichnet die Online-Simulation der entwickelten Regelalgorithmen auf der Ziel-Hardware unter Echtzeit-Bedingungen. Somit können die Wissenschaftler*innen die Regelalgorithmen und Fahrfunktionen auf der Entwicklungsplattform in einem durchgängigen, modellbasierten und verifikationsorientierten Prozess entwickeln und prüfen. Auf diesem Weg testeten und validierten sie bereits die intelligenten Fahrfunktionen für die Längs- und Querdynamik, die sie entwickelt hatten, mittels Model-in-the-Loop und Software-in-the-Loop.
Aufbau des Prüfsystems ERAGON
Um die Regelfunktionen, die die Wissenschaftler*innen mittels Model- und Software-in-the-Loop getestet hatten, in Echtzeit validieren zu können, bauten sie das Prüfsystem ERAGON auf. Dabei handelt es sich um ein Hardware-in-the-Loop System, das sowohl Software als auch Hardware eines vernetzten cyber-physischen Verkehrssystems abbildet. ERAGON verfügt über alle notwendigen fahrzeugmechatronischen Komponenten (z. B. Sensorik, Echtzeitperipherie, Software und Hardware zur Kommunikation) und kann die Fahrzeug-Fahrbahn-Fahrumgebung in Echtzeit abbilden (z. B. Unebenheiten im Boden, V2X-Kommunikation etc.). Für dieses Prüfsystem entwickelten die Wissenschaftler*innen das Konzept und einen Prototyp. ERAGON ist Teil der CAE-Entwicklungsplattform.
Dieser virtuelle Funktionsentwicklungsprozess wird durch eine enge Verflechtung von Simulation und Messung am realen Fahrzeug weitergehend unterstützt. Daher bauten die Wissenschaftler*innen das Forschungsfahrzeug AURONA auf (Autonomer rekonfigurierbarer Funktionsträger für nachhaltige Mobilität). AURONA ermöglicht eine softwaretechnische Umstellung des Antriebs- und Lenkkonzeptes von Front, Heck oder Allradantrieb und Lenkung. Das prototypische Fahrzeug kann darüber hinaus im Rahmen des ERGAON-Prüfsystems eingesetzt werden.
Ausblick
Im Forschungsjahr 2024 werden die Wissenschaftler*innen kooperative Fahrfunktionen mit intelligenter, kollektiver Zielführung entwickeln. Dazu zählt z. B. das Fahren in Kolonne oder die Bewältigung komplexer Fahrsituationen wie an Kreuzungen. Solche Fahrfunktionen sollen sicher und energieoptimiert arbeiten. Zudem werden die Wissenschaftler*innen die Objektdetektierung und Sensordatenfusion für intelligente autonome Fahrzeuge betrachten, die über V2X-Kommunikation miteinander verbunden sind (V2X = Vehicle-to-Everything, d. h. autonome Fahrzeuge kommunizieren mit anderen Systemen in ihrer Umgebung). Des Weiteren werden die Wissenschaftler*innen die CAE-Entwicklungsplattform weiterentwickeln, indem sie verschiedene Verkehrsszenarien integrieren. Dadurch können die Fahrzeugfunktionen noch umfangreicher virtuell mittels einer szenarienbasierten Simulation getestet werden. Geplant ist, das Umfeld der Fahrzeuge als digitalen Zwilling abzubilden. Außerdem werden die Wissenschaftler*innen das Prüfsystem ERAGON weiterentwickeln, sodass die intelligente Zielführung online unter Echtzeitbedingungen getestet werden kann. Darüber hinaus werden die Wissenschaftler*innen die digitale Straße aus dem Testfeld Niedersachsen in die CAE-Plattform integrieren. Das Testfeld Niedersachsen befindet sich im Raum Hannover/Hildesheim/Braunschweig/Wolfsburg. Dabei handelt es sich um Autobahn-, Bundesstraßen- und Landstraßenabschnitte, die mittels Kameras erfasst und digitalisiert werden. Diese realen Verkehrdaten sind für Simulationen und das virtuelle Testen von Fahrzeugfunktionen besonders hilfreich.