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Jetzt anmeldenSeit dem 1. Januar 2024 müssen laut Gebäudeenergiegesetz Heizungsanlagen, die neu in Gebäude eingebaut werden, mindestens 65 Prozent der bereitgestellten Wärme mit erneuerbaren Energien erzeugen. Mit diesem Gesetz verfolgt die Bundesregierung das Ziel, den Umstieg auf klimafreundliche Heizungen einzuleiten. Das Heizen ist ein Bestandteil der Energieversorgung, die bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden soll.
Der vermehrte Einsatz erneuerbarer Energien erfordert die Nutzung digitaler Technologien, um die Erzeugung, die Versorgung und den Verbrauch intelligent zu steuern. Denn im Unterschied zu Energie aus Atom- und Kohlekraft ist die Erzeugung erneuerbarer Energien nicht langfristig planbar. Je nach Wetter wird unterschiedlich viel Energie erzeugt, je nach Tages- und Jahreszeit wird unterschiedlich viel Energie verbraucht. Neben den Umwelteinflüssen spielt also auch das Verhalten der Verbraucher*innen eine große Rolle.
Um diese Zusammenhänge zu verstehen und mögliche Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zu testen, nutzen die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Energie-Simulationen – also virtuelle Abbildungen realer Gegebenheiten. Auf diese Weise können sie Experimente virtuell durchführen und Rückschlüsse auf die Realität ziehen. Die Wissenschaftler*innen verwenden das Simulationstool mosaik, das die Kopplung verschiedener Simulationswerkzeuge im Rahmen einer Co-Simulation ermöglicht.
Um verschiedene Aspekte digitaler Energietechnologien zu untersuchen, legten die Wissenschaftler*innen fünf Szenarien fest, die sie näher betrachten. In den vergangenen Forschungsjahren analysierten sie die Elektromobilität in Quartieren sowie den Netzbetrieb digitalisierter Energiesysteme. Im Forschungsjahr 2023 lag der Fokus auf Flexibilitäten in Energiesystemen. Zukünftig werden sich die Wissenschaftler*innen darüber hinaus mit IKT-Störungen und der Energieversorgung von Gebäuden auseinandersetzen.
Szenario „Flexibilitäten in Energiesystemen“
Energie, die durch Sonne, Wind und Wasser erzeugt wird, ist nicht so konstant abrufbar wie Energie aus Atom- oder Kohlekraftwerken. Daher muss mithilfe von Speichertechnologien eine zuverlässige Energieversorgung sichergestellt werden. Natürlich nutzbare Speicher wie hochgelegene Wasserbecken, die als Pumpspeicherkraftwerke genutzt werden können, sind in Deutschland bereits ausgeschöpft. Andere Speicher wie Batteriespeicher oder Warmwasserspeicher sind teuer und verbrauchen Ressourcen. Hier kommen die sogenannten Flexibilitäten ins Spiel: Ziel ist es, bereits vorhandene Strukturen wie Energienetze, Gebäude oder in Gebäuden vorhandene Speicher zu nutzen, einen Rahmen für Schwankungen z. B. bei der Raumtemperatur oder der Temperatur in einem Fernwärmenetz zu definieren und mithilfe dieser Flexibilitäten Schwankungen auszugleichen. Überschüssige, „zu viel“ gewonnene Energie (z. B. an sehr windigen Tagen) wird gespeichert und zu Zeitpunkten genutzt, in denen ein Energiemangel herrscht. Flexibilitäten können also kritische Ungleichgewichte zwischen Stromerzeugung und Stromverbrauch ausgleichen.
Im Szenario „Flexibilitäten in Energiesystemen“ untersuchen die Wissenschaftler*innen, wie Problemsituationen im Stromnetz mithilfe von Flexibilitäten gelöst werden können. Problematisch ist es z. B., wenn Strom kurzzeitig sehr stark nachgefragt wird und dadurch das Versorgungsnetz stark belastet ist (sogenannte Lastspitzen). Hierfür simulieren die Wissenschaftler*innen Gebäude einschließlich der Versorgungssysteme, um die Flexibilität der Anlagen zu ermitteln. Auf diese Weise ist es möglich, den Heizungsspeicher zu Zeiten eines Stromüberschusses über eine Wärmepumpe hochzuheizen. Dadurch kann im Fall einer Lastspitze im Stromnetz die Wärmepumpe ausgeschaltet werden, wodurch das Stromnetz gezielt entlastet wird. Die weiterhin benötigte Energie wird dann dem Speicher entnommen.
Gebäudesimulation
Ein wichtiger Bestandteil des Szenarios ist das Gebäudemodell, das die Wissenschaftler*innen entwickelt haben. Mithilfe des Modells ist es möglich, verschiedene Gebäude zu beschreiben (z. B. in Art, Größe und Ausstattung). Da Open Science im Zukunftslabor Energie eine wichtige Rolle spielt, entwickelten die Wissenschaftler*innen ein Gebäudemodell, das die Anforderungen nach Transparenz erfüllt und sich dank einer pythonbasierten Programmierung direkt mit dem Simulationstool mosaik koppeln lässt. Zudem integrierten die Wissenschaftler*innen Komponenten in die Simulation, durch die Gebäude Flexibilitäten bereitstellen. Dazu zählen Energiespeicher (z. B. Batteriespeicher, Warm-Wasser-Speicher, Heizungsspeicher) und die thermische Masse eines Gebäudes (z. B. speichert ein Klinkerbau Wärme länger als ein Holzbau). Außerdem fügten sie Belegungsprofile für Räume und Gebäude hinzu, um die Nutzungsart des Gebäudes spezifizieren zu können. Belegungsprofile geben Aufschluss darüber, an welchen Tagen und zu welchen Uhrzeiten Energie im Gebäude verbraucht wird (Heizung, Strom). Ein Beispiel: Ein Wohngebäude wird zwischen 7 und 17 Uhr nicht genutzt, da die Bewohner*innen in dieser Zeit beruflich außer Haus sind. Dieses Belegungsprofil ist ein anderes als das eines Schulgebäudes, das zwischen 7 und 16 Uhr genutzt wird.
Das Ziel der Wissenschaftler*innen ist es, ganze Quartiere zu simulieren und Möglichkeiten zu finden, Flexibilitäten von Gebäuden zu nutzen. In Anwendungsfällen wollen die Wissenschaftler*innen auch konkrete Probleme identifizieren, die im Zusammenhang mit Flexibilitäten von Gebäuden entstehen können. Dafür werden sie verschiedene Gebäudetypen einbeziehen (Wohnhäuser, öffentliche Gebäude wie Schulen, gewerblich genutzte Gebäude wie Industriehallen etc.), um möglichst realistische Ergebnisse zu erhalten und mögliche Lösungen zu entwickeln.
Ein weiterer Aspekt, mit dem sich die Wissenschaftler*innen beschäftigen, sind Wetterdaten. Da das Wetter die Erzeugung erneuerbarer Energien beeinflusst, ist es für Flexibilitäten ein wichtiger Faktor. Bei der Entwicklung des Gebäudemodells stellten die Wissenschaftler*innen fest, dass bestimmte vom Deutschen Wetterdienst bereitgestellte Wetterdaten nicht für das Modell genutzt werden können. Deshalb suchen die Wissenschaftler*innen nach Lösungen, um entweder die Wetterdaten für die Simulation anzupassen oder das Gebäudemodell für die Verwendung der Wetterdaten zu adaptieren.
Ausblick: Anlagentechnik in einem Quartiersszenario
Im kommenden Forschungsjahr werden die Wissenschaftler*innen die Integration der Anlagentechnik (z. B. Wärmepumpen, Heizungsspeicher) in ein Quartiersszenario innerhalb von mosaik abschließen. Außerdem werden sie sich mit Lösungsansätzen für die Integration der Wetterdaten beschäftigen. Darüber hinaus planen die Wissenschaftler*innen, ein Gebäude mit allen relevanten Faktoren zu simulieren, um einen Demonstrator für die Forschungs- und Entwicklungsplattform hochladen zu können. Des Weiteren werden sie das Quartier „Am Ölper Berge“ komplett simulieren, mit allen Gebäuden und eventuell mit einem Fernwärmenetz, das die Gebäude mit Energie versorgt.
Im Zukunftslabor Energie werden zwei unterschiedliche Ansätze der laborübergreifenden Simulation umgesetzt. Erstens die softwarebasierte Co-Simulation, bei der verschiedene Modelle über die Co-Simulationsumgebung mosaik zu komplexen Szenarien zusammengefügt werden. Zweitens die hardwarebasierte Laborkopplung, bei der Messwerte von realen Anlagen wie z. B. Wärmepumpen oder elektrischen Netzsimulatoren in Echtzeit zwischen den Laboren ausgetauscht werden. Für die Kommunikation zwischen den Laboren wird die Software VILLASNode eingesetzt.
Hardwarebasierte Laborkopplung
Neben der virtuellen Simulation von Gebäuden nutzen die Wissenschaftler*innen die Kopplung von Laboren, um digitale Energiesysteme in Kombination mit realen Anlagen in ihrer Komplexität zu erforschen. Dabei kann die Kompetenz und Laborausstattung der beteiligten Institute standortübergreifend genutzt werden.
Im Forschungsjahr 2022 hatten die Wissenschaftler*innen bereits das Renewable Energy Lab der Hochschule Emden/Leer mit dem Netzlabor des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) gekoppelt. Die Kopplung diente dazu, das Szenario „Netzbetrieb“ zu untersuchen. Dabei ging es darum, wie digitale Technologien zur Nutzung der Flexibilitäten und zur Stabilisierung der Energienetze eingesetzt werden können. Intelligente Technologien und Steuerungssysteme sollen im Fall eines Energieüberschusses oder -mangels unmittelbar und autonom reagieren und das Ungleichgewicht beheben.
Diese Laborkopplung wollen die Wissenschaftler*innen um Heizungs- und Wärmetechnik erweitern. Die Ostfalia Hochschule verfügt über ein Heizungslabor, das alle wichtigen Anlagenbestandteile einer Heizung (Wärmepumpe, Gaskessel, Wärmespeicher, Anlagen zur Solarthermie) beinhaltet. Bei der Laborkopplung geht es darum, eine Wärmepumpe aus dem Heizungslabor in die Netzsimulation der Hochschule Emden/Leer und des DLR zu integrieren. Ein Beispiel: Das simulierte Energienetz des DLR schickt dem Heizungslabor der Ostfalia Hochschule Signale, wie viel Wärme die Pumpe fördern darf. Dementsprechend wird die Wärmepumpe der Ostfalia Hochschule aktiviert und die Leistung wird gemessen. Die Messdaten werden zurück an das DLR geschickt, sodass das DLR die Netzsimulation mit den Werten belasten kann. Dies ermöglicht es, zentrale Forschungsfragen zu Flexibilitäten zu untersuchen, wie z. B.: Wie reagieren die Stromnetze auf die zukünftige Dauerbelastung durch die zunehmende Anzahl an Wärmepumpen, die vor allem im Winter dauerhaft laufen werden?
Ausblick: Kopplung der Labore
Im Forschungsjahr 2023 haben die Wissenschaftler*innen mit den Vorbereitungen für die Laborkopplung zwischen dem DLR, der Hochschule Emden/Leer und der Ostfalia Hochschule begonnen. Dazu gehörte z. B. der Aufbau der Messtechnik sowie das Bereitstellen der Kommunikationsumgebung. Diese Vorarbeiten werden die Wissenschaftler*innen 2024 abschließen und die Kopplung durchführen.