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Jetzt anmeldenFünf Jahre Digitalisierungsforschung in der Landwirtschaft: Die Wissenschaftler*innen des Zukunftslabors Agrar stellten bei ihrer Abschlussveranstaltung am 18.09.2024 die Ergebnisse ihrer Forschung vor und sprachen Empfehlungen für die (digitale) Zukunft der Landwirtschaft aus.
Um 13:00 Uhr begann die Veranstaltung im Agro-Technicum der Hochschule Osnabrück – einem Laborbereich zur Weiterentwicklung vorhandener und zukünftiger Landmaschinen. Prof. Dr. Kai-Uwe Kühnberger (Universität Osnabrück, Vizepräsident für Forschung, gesellschaftlichen Dialog und Transfer) begrüßte die Gäste aus Politik, Wissenschaft, Landwirtschaft und Verbänden. Prof. Kühnberger hob die Bedeutung des Agrarsektors für Niedersachsen und Deutschland hervor und betonte die Bedeutung von Digitalisierung und Automatisierung als Weg zu effizienteren Prozessen. Das Zukunftslabor Agrar sei von Beginn an das richtige Instrument zur richtigen Zeit gewesen, um innovative Konzepte für die Digitalisierung landwirtschaftlicher Prozesse zu erforschen.
Nach der Eröffnung durch Prof. Kühnberger leitete Moderatorin Annika Ahlers (Partnerin Ibérico Westfalia, StadtLandDialog) zur Ergebnispräsentation des Zukunftslabors über. Wissenschaftler*innen aus den drei Teilprojekten sowie Partner aus Wirtschaft und Wissenschaft stellten die Ergebnisse des Zukunftslabors dar und verknüpften sie mit der Praxis.
Einblicke in die Forschungsergebnisse des Zukunftslabors Agrar
Dr. Olaf Katenkamp (Universität Vechta, Fakultät Wirtschaft und Ethik) und Olaf Gansch (Landwirtschaftskammer Niedersachsen) widmeten sich dem ersten Teilprojekt: Analyse der Datenaufzeichnungen und Datenflüsse in der Landwirtschaft. Die Wissenschaftler*innen untersuchten in den vergangenen fünf Jahren, wie Landwirt*innen ihre Daten erfassen und an welche Stakeholder sie diese senden (müssen). Dabei stellten sie fest, dass die Datenerfassung in den meisten Betrieben manuell erfolgt. Untersuchungsgegenstand waren Betriebe aus der Hühner- und Schweinemast sowie der Milchviehhaltung. Die Wissenschaftler*innen definierten 30 Use Cases, in denen digitale Tools (Assistenzsysteme, Sensoren, Künstliche Intelligenz, Kopplung von Daten) genutzt werden könnten und Prozesse (Automatisierung, Fütterung, Reinigung, Gesundheitsmonitoring, Nachhaltigkeitsprozesse, etc.) mithilfe der Digitalisierung optimiert werden können.
Olaf Gansch stellte das Projekt „DigiFu“ vor, bei dem die Digitalisierung im Futterbau fokussiert wird. Ziel des Projektes ist es, die Daten in einem landwirtschaftlichen Betrieb vollautomatisch zu erfassen. Dies umfasst u. a. die Bewirtschaftung der Ackerfläche, den Futtermittelzukauf, die Melksysteme und reicht bis zur automatischen Datenerfassung der produzierten Milch bzw. des produzierten Fleisches.
Andreas Linz (Hochschule Osnabrück, Fakultät Ingenieurwissenschaften und Informatik), Benjamin Kisliuk (Deutsches Forschungszentrum für Künstliche Intelligenz, Forschungsbereich Planbasierte Robotersteuerung) und Frederik Langsenkamp (Hof Langsenkamp) präsentierten die Ergebnisse des zweiten Teilprojektes: praxisorientierte Autonomisierung landwirtschaftlicher Verfahren. Andreas Linz stellte die autonome Roboterplattform „BoniRob“ vor, die z. B. Bodenparameter wie Verdichtung oder Feuchte messen kann. Der „BoniRob“ ist mit GPS und zahlreichen Sensoren ausgestattet und kann sich autonom über ein Feld bewegen. Um verschiedene Anwendungsfälle simulieren zu können, erstellten die Wissenschaftler*innen einen digitalen Zwilling des „BoniRobs“ und simulierten das Feld, auf dem sie den Roboter fahren lassen. Die Simulationen ermöglichen es, unterschiedliche Experimente virtuell durchzuführen und erst nach erfolgreichem Ergebnis in die Praxis zu überführen (z. B. Sensoren austauschen und testen).
Benjamin Kisliuk ging auf die Datengrundlage für die Simulation ein. Um die Gegebenheiten vor Ort abbilden zu können, nutzten die Wissenschaftler*innen kommerzielle Daten, Daten von Behörden sowie eigene Daten von Drohnenaufnahmen. Auf dieser Grundlage erstellen sie digitale Abbilder der Felder und Gebäude des Hofes Langsenkamp, mit dem das Zukunftslabor zusammenarbeitet. Dies diente dazu, die Navigation von Robotern auf dem Hof und den Feldern zu untersuchen.
Frederik Langsenkamp ist langjähriger Praxispartner des Zukunftslabors Agrar und stellt den Wissenschaftler*innen seinen Hof und seine Felder für wissenschaftliche Untersuchungen zur Verfügung. Er betonte, dass er in autonomen Robotern ein großes Potenzial für die Zukunft sehe. Insbesondere bei monotonen Arbeiten oder in Hinblick auf den Fachkräftemangel könnten sie hilfreiche Instrumente werden. Für die Entwicklung solcher Technologien stelle er seinen Hof gerne zur Verfügung, auch weil er dadurch selbst viel lernen könne.
Im dritten Teilprojekt ging es um die Nachhaltigkeit der Digitalisierung in der niedersächsischen Landwirtschaft. Prof. Dr. Silke Hüttel (Georg-August-Universität Göttingen, Department für Agrarökonomie und Rurale Entwicklung) und Prof. Dr. Stefanie Bröring (Ruhr-Universität Bochum, Lehrstuhl Entrepreneurship und innovative Geschäftsmodelle) stellten ihre Forschung vor. Prof. Hüttel untersuchte die Akzeptanz autonomer Roboter im Zuckerrübenanbau. Eine Befragung von etwa 350 Landwirt*innen zeigte, dass sie Roboter besonders dann einsetzen würden, wenn diese effektiv arbeiten und keine zusätzliche Arbeit verursachen. Die Kontrolle über ihre Prozesse ist ihnen wichtig, und sie sind zurückhaltend gegenüber Robotik, wenn ihre bisherigen Verfahren gut funktionieren. Zuspruch aus der Bevölkerung könnte jedoch ihre Einstellung positiv beeinflussen.
Prof. Bröring untersuchte aus Sicht der Adaptionsforschung die Gründe für oder gegen die Nutzung innovativer Technologien. Im Rahmen einer Studie analysierte sie, welche Faktoren die Nutzung von Smart-Farming-Technologien begünstigen. Dazu zählten vor allem die Produktivitätssteigerung, die Erleichterung bei Dokumentationspflichten, die Interoperabilität der Systeme, die Datensicherheit, die Finanzierung, das Vertrauen in die Technologie und die Nutzerfreundlichkeit.
Weitere Ergebnisse des Zukunftslabors Agrar stehen in dieser Pressemitteilung.
Das Zukunftslabor Agrar empfiehlt: Mehr Mut zur Digitalisierung in der Landwirtschaft
Im Anschluss an die Ergebnispräsentationen folgte eine Podiumsdiskussion mit dem Titel „Das Zukunftslabor Agrar empfiehlt: Mehr Mut zur Digitalisierung in der Landwirtschaft“. Den Impuls zur Podiumsdiskussion gab der Sprecher des Zukunftslabors Agrar, Prof. Dr. Joachim Hertzberg (Universität Osnabrück, Institut für Informatik). Er stellte das Policy Paper vor, das als kurzes Ergebnispapier aus dem Zukunftslabor hervorging. Darin fassen die Wissenschaftler*innen die Herausforderungen für eine flächendeckende Digitalisierung in der Landwirtschaft zusammen, die sie im Rahmen ihrer Forschung ermittelten. Zudem spiegeln sie die Bedürfnisse der Landwirtschaftsbetriebe wider und sprechen Empfehlungen an die Politik aus.
Die Ausschreibung des Zukunftslabors Agrar beinhaltete neben der Forschung an sich auch den Auftrag, Transfer in die Praxis zu leisten und in den Dialog mit der Gesellschaft zu gehen. Der Praxistransfer ist in anwendungsorientierten Forschungsprojekten üblicherweise gefordert, doch der Dialog mit der Gesellschaft war ungewöhnlich, neu und spannend! Dieser Auftrag wurde zum Treiber eines Teils unserer Arbeit. Wir bezogen verschiedene Stakeholder in unsere Forschung ein, durch Interviews, Workshops und Umfragen. Die nicht ganz überraschende Erkenntnis: Bei allen bereits vorliegenden Erfolgen klemmt es weiterhin mit der Digitalisierung in der Landwirtschaft! Die Digitalisierung dieser Branche ist extrem komplex und von vielen verschiedenen Playern abhängig, die zusammenspielen müssen, damit die digitale Transformation der Landwirtschaft gelingen kann.
Weitere Details stehen im Policy Paper:
Den Impuls von Prof. Hertzberg griff Moderatorin Annika Ahlers auf, um die Podiumsdiskussion einzuleiten. An der Diskussion beteiligten sich Dr. Marcus Beiner (Niedersächsisches Ministerium für Wissenschaft und Kultur), Jörn Ehlers (Hof Ehlers, Landvolk Niedersachsen Landesbauernverband e. V.), Dr. Johannes Sonnen (DKE-Data GmbH & Co. KG) und Prof. Dr. Jens Karl Wegener (Julius Kühn-Institut, Institut für Anwendungstechnik im Pflanzenschutz).
In der Diskussion betonte Prof. Wegener die Notwendigkeit, alle Akteure in der Landwirtschaft zur Förderung der Digitalisierung einzubeziehen und gesellschaftliche Zielkonflikte offen zu thematisieren. Er forderte Mut zur Entwicklung und Nutzung innovativer Technologien, doch fehle oft das Wissen, um „Fancy Features“ sinnvoll einzusetzen. Jörn Ehlers wies auf hilfreiche Förderprogramme hin, betonte jedoch, dass Fachkenntnisse bei den Anwender*innen entscheidend seien. Dr. Beiner empfahl, Innovationen praxisnah zu testen, während Dr. Sonnen darauf hinwies, dass hohe Erwartungen an neue Technologien nur erfüllbar seien, wenn auch Verständnis und Akzeptanz gefördert würden.
Die Referenten forderten Anreize und unabhängige Beratung, um Landwirt*innen bei der Einführung digitaler Technologien zu unterstützen. Datenschutzbedenken und uneinheitliche Anforderungen der Behörden erschweren laut Jörn Ehlers den Einsatz digitaler Systeme. Prof. Wegener sprach sich für regulatorischen Druck aus, der die Digitalisierung fördern könne, und nannte Sonderregelungen für Pflanzenschutz als Beispiel.
Abschlussmesse: Demonstratoren und Interaktion
Den Abschluss der Veranstaltung bildete eine Ausstellung mit Demonstratoren und interaktiven Elementen. Andreas Linz (Hochschule Osnabrück) und Benjamin Kisliuk (DFKI) präsentierten die Roboterplattformen an und mit denen sie forschen: den „BoniRob“ mit dem digitalen Zwilling und „Valdemar“.
Prof. Dr. Jens Karl Wegener und Eva-Marie Dillschneider (beide Julius Kühn-Institut) veranschaulichten das Konzept des Spot Farmings mit einem Modell und einer Animation. Dr. Kathrin Toppel und Ida Krüwel (beide Hochschule Osnabrück) zeigten mithilfe einer interaktiven Roadmap, wie Sensoren zur Verbesserung des Tierwohls im Nutzgeflügelstall beitragen können.
Prof. Dr. Silke Hüttel (Georg-August-Universität Göttingen) und Sophia Kollhoff (Universität Vechta) zeigten anhand eines Memorys, wie moderne Agrartechnologien zu globalen Herausforderungen wie Klimaschutz und Ernährungssicherheit beitragen. Dr. Olaf Katenkamp (Universität Vechta) präsentierte ein interaktives Portal, das die Use Cases Milchvieh, Schweine- und Hühnermast sowie die digitalen Tools zur Digitalisierung verschiedener Prozesse zeigte. Prof. Dr. Chadi Touma und Dr. Tanja Wolf (beide Universität Osnabrück) stellten eine nicht-invasive Methode zur Messung von Stresshormonen im Geflügelmastbetrieb vor. Dr. Jan Schattenberg, Phillip Hildner und Lars Gerloff (alle Technische Universität Braunschweig) präsentierten das Einzelkorn-Säaggregat, mit dem Saatgut vereinzelt und mit wählbarem Reihen- und Saatabstand ausgebracht werden kann. Johannes von Ivernois und Norman Nebbe (beide DFKI) stellten eine Computer Vision in der Landwirtschaft vor. Gegen 18:00 Uhr beendete Prof. Hertzberg offiziell die Veranstaltung und bedankte sich im Namen des Zukunftslabors bei allen Gästen.